Was haben wir uns gefreut! Für alle eingefleischten Fans des Nauheimer Eishockeys wird der 21. April DER Meilenstein in der Sportgeschichte des Jahres 2013 bleiben. Was ist schon ein „German Final" in der Championsleague, was das Triple von Bayern München, was das Erreichen der Europa League für die Frankfurter Eintracht? Gegen Brad Millers genialem Tor in der Verlängerung des fünften Final-Spiels verblasst dies alles. Jenes Tor setzte mehr Glückshormone frei, als die letzten 20 Jahren zusammen genommen. Kübelweise schwappten Endorphine über uns als erstmalig in der langjährigen Eishockeygeschichte Bad Nauheims der Sieg in einem Playoff-Finale den sportlichen Aufstieg zurück in die zweite Liga ebnete. Selbstredend sind die Kurstadt-Cracks in den vergangenen Spielzeiten schon des Öfteren von einer Liga in die nächst höhere aufgestiegen, aber immer waren es „nur" ausreichend gute Platzierungen in einer Qualifikationsrunde (wozu man getrost auch die Hessenliga-Meisterschaft 2004/205 zählen kann) oder ein hinreichender Playoff-Rang, der den Roten Teufel den Sprung nach oben erlaubte; nie zuvor gab es einen so phänomenalen Sieg in einem echten Endspiel.
Diese Dramatik und Spannung wie an jenem Sonntagabend hatten wir in Bad Nauheim bisher noch nie mit einem Happy End für unsere Farben erleben dürfen. Wen wundert es also, dass die Nauheimer Fans bis dato nicht müde werden ihren Triumph voll und ganz auszukosten. Noch dazu, dass mit Frankfurt und Kassel allen Unkenrufen zum Trotz die beiden hochgehandelten Lokalkonkurrenten ausgestochen wurden. Jene Tatsache und den fast nicht für möglich gehaltenen Aufstieg in Liga Zwei geschafft zu haben, erfüllt jeden Rot-Weißen berechtigterweise mit kolossalem Stolz. So ist die Zurschaustellung des Meister-Transparents mit stolzgeschwellter Brust während der Weltmeisterschaft in Finnland und Schweden genauso nachvollziehbar wie etwa der grandiose Absatzerfolg der Meister-T-Shirts in der Sommerpause oder die tolle Anzahl von verkauften Dauerkarten. Im Sog der Meistereuphorie war vieles möglich, was bisher nicht machbar erschien. Nauheim wird sich wohl noch lange an diesem Triumph ergötzen und das ist gut so, denn es hilft über die aktuellen Lächerlichkeiten hinweg, denen sich das deutsche Eishockey seit Monaten preisgibt.
Was bereits Anfang des Jahres mit der Kündigung des ESBG-Kooperationsvertrages begann, sich mit der Aufstiegsverweigerung durch den Landesverband fortsetzte und in anhaltende Diskussion zwischen DEB und der Mehrheitsvertretung der Zweitligisten um die Ausrichtung der kommenden Saison mündete, ist an Absonderlichkeiten wohl schwerlich zu überbieten. Die Fronten sind inzwischen durch Gerichtsverhandlungen, Schuldzuweisungen und Drohungen soweit verhärtet, dass es nur schwer vorstellbar ist hier in absehbarer Zeit zum Wohle des Sports eine vernünftige Lösung zu finden.
Dem sportbegeisterten Fan fällt es wahrlich schwer sich selbst eine objektive Meinung zu bilden. Auf der einen Seite steht die neugegründete DEL2. Sie verspricht mit einem professionellen Vorgehen die lange geforderte Verzahnung der Bundesliga mit der DEL zu verwirklichen und „mit Profis für Profis" eine starke Liga unterhalb der Deutschen Eishockey Liga etablieren zu wollen. Auf der anderen Seite beansprucht der Dachverband DEB die alleinige Ausrichtung einer Zweiten Liga und verspricht sowohl eine garantierte Verzahnung mit den Oberligen als auch Bemühungen einem zukünftigen Zweitligameister den Aufstieg in die DEL zu ermöglichen. Die DEL hingegen hielt sich bisher noch vornehm zurück. Ihren Vertretern war kein verbindliches Statement zu entlocken, ob sie denn eine DEL2 favorisiere oder einer Auf- und Abstiegsregelung zwischen DEB-geführtem Ligenbetrieb und oberster Spielklasse zustimmen würde. Das Oberhaus des deutschen Eishockeys sieht wohl aktuell weder in der einen noch der anderen Variante einen gravierenden Vorteil für seine Belange, so dass sie sich auch nicht auf eine der beiden Seiten zu schlagen gedenkt. Eine DEL2 als Ausbildungsliga für den deutschen Nachwuchs in der obersten Spielklasse scheint ihr vorstellbar. So ist die Reduzierung der erlaubten Kontingentspieler für eine DEL2 auf maximal drei Spieler bereits in Diskussion, eine allgemeine Reduzierung auch in der DEL, um langfristig auch die Nationalmannschaft davon profitieren zu lassen, ist hingegen absolut kein Thema. Übersetzt heißt das nichts anderes als: „Ihr könnt gerne die Verbesserung des deutschen Nachwuchses in die Wege leiten; wir aber werden einen feuchten Kehricht tun und unser aktuelles Niveau zur Disposition stellen!"
Wie immer ist der Kern des Problems die Verzettelung in der Organisation der Eishockey-Ligen in unserem Land. DEL, ESBG, DEB, Landesverbände und nun auch noch eine DEL2… aber keine Einigkeit untereinander. Von einem „Wir-Gefühl" ist das deutsche Eishockey so weit entfernt, wie der diesjährige Mai von seinem poetischen Monatsimage. Kein Wunder also, dass in den vielen Gesprächen zwischen den Kontrahenten jeder nur versucht seine eigene Position zu rechtfertigen. Jedes Treffen endete bisher nur damit, dass der Gegenseite der Schwarze Peter zugeschoben wurde.
Der DEB droht nun mit einem Ausschluss aller Nachwuchsteam jener Clubs, die sich für eine Teilnahme an einer DEL2 entscheiden. Die DEL2 selbst wird als „wilde Liga" geächtet und seine Mitglieder sollen nicht mehr unter dem Dach der Internationalen Eishockey Föderation IIHF geduldet werden, als dessen einzig legitimer Repräsentant sich der DEB sieht. Die DEL2-Befürworter hingegen versteifen sich auf das Recht der Eigenverwaltung wie es die Erstligisten schon seit Jahren praktizieren. Vertreter wie beispielsweise die Fishtown Pinguins haben ihrer Teilnahme an einer wie auch immer gearteten Liga unter DEB-Regie schon eine klare Abfuhr erteilt. Noch sind die beiden Parteien unterschiedlich stark besetzt. Pro DEB haben sich bisher eindeutig nur der SC Riessersee und der ESV Kaufbeuren geoutet. Mit dem EV Landshut steht ein weiterer Zweitligist dem DEB näher als einer DEL2, ohne sich jedoch eindeutig positioniert zu haben. Das Lager der DEL2-Befürworter ist dagegen weitaus stärker repräsentiert. Neun der aktuellen Zweitligisten sowie die Kassel Huskys und die Löwen Frankfurt verfechten klar die Position der „Revoluzzer". Für Frankfurt und Kassel ist es wohl auch die einzige Chance im kommenden Jahr auf Zweitliga-Niveau agieren zu können, denn der DEB hat die Teilnahme von „Quereinsteigern" kategorisch ausgeschlossen. Bad Nauheim als Oberliga-Meister hat hingegen die Mitgliedschaft in der 2. Liga – egal unter welcher Ägide – sicher; dafür sorgte ein Gerichtsurteil was die Aufstiegsverweigerung des Landesverbandes glücklicherweise abschmetterte. Das ist aber auch das einzig Positive aus Nauheimer Sicht.
Wie eingangs bereits geschildert, herrscht in Bad Nauheim erfreulicherweise noch immer eine euphorische Aufbruchsstimmung. Dies erlaubt es der neuen Führungscrew sich im Augenblick nicht eindeutig auf eine Seite schlagen zu müssen und dennoch bei den Fans viel Unterstützung für die kommende Saison zu finden. So hat man sich in der Kurstadt auch vorsorglich für alle Zweitliga-Varianten beworben. Eine ausgesprochen glückliche, wenn vielleicht auch nicht ganz ehrliche Position (man könnte sie durchaus aber auch als „diplomatisch" umschreiben), denn sie gestattet den Aufbau einer schlagkräftigen Truppe, die sowohl in einer DEL2 als auch einer DEB-Bundesliga bestehen kann. Allgemeiner Tenor bei den kurstädtischen Fans ist eindeutig: Hauptsache zweite Liga! Wer will uns diesen Standpunkt nach all den Jahren der Abstinenz verübeln? Derbys gegen Kassel und Frankfurt wären aus wirtschaftlicher Sicht ganz bestimmt äußerst wünschenswert; andererseits muss man auch eingestehen, dass eine gewisse Schadenfreude bei vielen Fans nicht zu verhehlen wäre, müssten sich „Hunde und Katzen" ein weiteres Jahr in der ungeliebten NRW-Straßenbahnliga vergnügen. (Unqualifizierte Randbemerkung des Autors: Jeder Metzgerladen lässt mich erneut etwas gehässig grinsen, wenn ich das Schild „Wir müssen draußen bleiben" lese…)
Wie dem auch sein wird; noch liegt der gesamte Sommer vor uns und wir können sicher sein, dass noch einiges an grotesken Diskussionen auf die Eishockey-Gemeinde einprasseln wird bis denn endlich Rahmenbedingungen und Zusammensetzung der zweiten Liga beschlossen sind. Wir aber dürfen uns schon mal auf eine spannende Saison freuen. Die bisherigen Aktivitäten und Verpflichtungen stellen eindeutig die Weichen, dass zumindest für uns in Bad Nauheim mit der Saison 2013/2014 eine neue, hoffentlich erfolgreiche, Zeit anbrechen wird; egal ob DEL2 oder DEB-Bundesliga. Es ist ja sooooo schön endlich auch einmal die Früchte erfolgreicher Arbeit genießen zu können. Also: auf dass die Meister-Euphorie noch recht lange erhalten bleibt!