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2015/2016

Saisonchroniken > 2010er Jahre
 

Immer vorwärts EC

 
 

Zum Ende der letzten Saison hatte es viel Kritik gehagelt. Spieler, Trainerteam und selbst die Geschäftsführung bekamen so richtig ihr Fett weg. Das erneute Verpassen der Pre-Playoffs 2014/15 entsprach einfach nicht dem, was man sich in Bad Nauheim von der Saison erhofft hatte. Den Vorwurf „keine Leidenschaft, kein Spielsystem und selbstherrliche Entscheidungen" mussten sich die Geschmähten des Öfteren anhören. Und dennoch standen am Ende der Saison die Zeichen verdächtig auf „weiter so". Spieler wie Vitalij Aab, Patrick Strauch und Kyle Helms, deren Formkurve gegen Ende der vergangen Saison nicht wirklich einen positiven Trend aufzeigten, hatten neben Harry Lange bereits Verlängerungen ihrer Verträge sicher und auch die Weiterverpflichtung des oft geschmähten Trainers zeichnete sich ab. Einzig die frühe Neuverpflichtung des jungen Shootingstars vom SC Riessersee, Andreas Pauli, versprach im Ansatz eine neue Perspektive und so war die Fan-Szene nicht gerade elektrisiert beim Gedanken an die neue Saison.
Anfang April wurde Petri Kujala auch offiziell als Trainer für die kommende Spielrunde bestätigt. Anders als die Wortführer des EC-Fan-Forums zweifelten Geschäftsführung und Sponsoren nicht an seiner Kompetenz und sahen in ihm die einzig konsequente Alternative für die ausgerufene Agenda 2020; schließlich hatte Kujala diese Initiative mitgestaltet. So bekam er nicht nur den Anschlussvertrag, sondern auch noch die Position des Sportlichen Leiters oben drauf. Daniel Heinrizi, der dieses Amt letztes Jahr innehatte, wurde als Cheftrainer der DNL2-Mannschaft installiert. Das stärkte Kujala als nun alleinigem sportlich Verantwortlichen den Rücken, bürdete ihm aber auch gleichzeitig die Rechenschaft für das Gelingen der neuen Saison auf. Ganz nach seinem Naturell nahm der Finne diesen Auftrag gelassen an und sprach in einem WZ-Interview davon, die Mannschaft auf sechs bis sieben Positionen verändern zu wollen. Für die Torwartposition schwebte ihm eine deutsche Lösung vor, doch betonte er gleichzeitig, dass es schwer werde eine adäquate Person zu finden. Die Hoffnung Goalie Markus Keller zu verpflichten, hatten sich schon Anfang April zerschlagen. Nauheims langjähriger Oberliga-Rückhalt (2009 – 2012) zog es zum Bedauern der Nauheimer Fans zu den Huskies nach Kassel, wo später mit Taylor Carnevale noch ein weiterer Ex-Teufel seine neue sportliche Heimat finden sollte.

 
 

Im Mai stand bereits das Gerüst der Mannschaft; weitestgehend bekannte Namen aus dem Team 2014/15, ergänzt um einige (unspektakuläre?) Neuverpflichtungen vom Oberliga-Finalisten Duisburg (Diego Hofland, Dominik Larscheit), Absteiger Heilbronn (Dustin Cameron) und Vize-Meister Bremerhaven (Joel Keussen, Marc Kohl). In diesem Frühjahr verzichtete man gänzlich auf Spieler mit bekannten, glanzvollen Namen und schaute sich bewusst nach Personal um, das sich noch seine Meriten erwerben wollte. Aus diesem Schema fiel etwas die Bekanntgabe der neuen Nummer 1 im Teufelstor. Der Finne Kujala holte den Finnen Mikko Rämö. Also doch keine „deutsche Lösung"! Mit seinen knapp 35 Jahren hatte Rämö schon Klubs in Russland, Schweden, Österreich und Finnland kennengelernt; Deutschland fehlt noch in seiner Vitae. Ab sofort stand dort nun der EC Bad Nauheim.
Die beiden letzten Kontingentstellen wurden im Juni und Juli vergeben. Für die Verteidigung verdingte Kujala den Schweden Joel Johansson, für den Angriff unterschrieb der US-Amerikaner Nick Dineen. Beide kamen aus der Metal Ligaen, der ersten dänischen Liga, und waren wie Rämö Deutschland-Neulinge. Damit stand die Mannschaft – zunächst jedenfalls; eine Mannschaft ohne „Knaller und Kracher" mit vielen jungen Spielern. Was war von diesem Team zu erwarten? Das war die Frage, die man sich in der Kurstadt stellte. Allgemein wurde die Abwehr als Achillesferse angesehen, da man neben Johansson eigentlich nur Daniel Ketter und Alex Baum als erfahrene Defender bezeichnen konnte.

Mikko Rämö, der finnische Goalie wurde Garant für eine tolle Saison.  Foto: Chuc

 
 

Nahm man die Anzahl der Dauerkartenbestellungen als Indikator für die Euphorie der Fans, so schien diese etwas hinter der der letzten Jahre zurückzubleiben. Aber doch weniger gravierend als so manch einer befürchtet hatte. Anfang Juni waren knapp 700 Karten an die Fans gebracht; im letzten Jahr zum gleichen Zeitpunkt verzeichnete man nur rund 50 Karten mehr. Was diesmal den Verkauf sicherlich zusätzlich ankurbelte, war die Tatsache, dass erstmals neben der normalen Dauerkarte auch eine sogenannte Jokerkarte angeboten wurde. Sie berechtigte den Käufer zum Besuch aller Saisonspiele, egal ob Vorbereitung, Hauptrunde oder (Pre-)Playoff/Playdown. Außerdem enthob sie ihre Besitzer von dem erstmalig erhobenen Derby- sowie dem üblichen Playoff-Zuschlag. Ein Angebot, das viele Stammgäste gerne nutzten.
Und noch eine kleine organisatorischen Änderung stand dieses Jahr an: Die Geschäftsleitung hatte beschlossen im Stadion den bargeldlosen Zahlungsverkehr einzuführen, und zwar ausnahmslos. Zu diesem Zweck wurde wie in vielen anderen Stadien bereits üblich ein sogenannter Stadiondeckel eingeführt. Die kleinen Chip-Kärtchen im Scheckkartenformat gab es zum Pfand von 3,-€ und konnten im Stadion aufgeladen werden. Nicht jeder war über diese Maßnahme hoch erfreut; denn irgendwie wurde die Prozedur, um mal schnell an ein Bier oder eine Teufelswurst zu kommen zumindest für Nichtstammgäste dadurch etwas aufgebläht.
Im Juli stiegen die Tagestemperaturen hierzulande auf unerträgliche 40°C. Als so gar nichts an Eishockey erinnerte, drangen überraschende Neuigkeiten aus dem DEL2-Lizensierungsverfahren an die Öffentlichkeit: Landshut wurde die Lizenz verweigert. Was für ein Paukenschlag! Als Nachrücker sollte Absteiger Heilbronn, der bereits für die Oberliga geplant hatte, wieder in den Genuss der zweiten Liga kommen. Für Bad Nauheim, das seine Lizenz ohne große Auflagen erhielt, war diese Entscheidung nur sofern von Relevanz, dass man vermutete schon vor der Saison einen harten Rivalen um die Playoffs hinter sich gelassen zu haben. Aber was war das für eine Eishockeywelt? Auch Füssen, sportlich aus der Oberliga Süd abgestiegen, aber mit der Chance als Nachrücker für den TSV Erding doch wieder dritte Liga zu spielen, hatte Insolvenz anmelden müssen. Als nun Landshut keine DEL2-Lizenz mehr erhielt, drohte auch der zweite große Traditionsvereine vom (semi-) professionellen  Eishockey ausradiert zu werden. Doch den Niederbayern gelang es wenigstens eine Oberliga-Lizenz zu ergattern; zwar unter großen Auflagen, aber immerhin. Füssen hingegen startete seinen Neuanfang ganz unten in der bayerischen Bezirksliga West (6. Liga). Für jeden traditionsbewussten Eishockey-Freund eine frustrierende Entwicklung…
Und da wir schon dabei sind über den Tellerrand des Wetterauer Eishockeys zu schauen, noch eine kurze Anmerkung zur deutschen Eishockey-Szene: Auch die Oberliga wurde neu strukturiert. Erstmals seit Jahren ging wieder eine Nord- und Südgruppe an den Start. Geografisch handelte es sich eher um eine Nordwest- und eine Südostgruppe, denn unser OL-Kooperationspartner Neuwied gehörte dabei der Nordgruppe an, obwohl das weiter nördlich liegende sächsische Schönheide für den Süden startete. Dennoch ging dies wohl in Ordnung, denn die Lage Neuwieds war für beide Ligen ein Randlage und bedeutete lange Wege wohin auch immer die Reise gehen sollte. Unter anderem mussten die Bären sogar ins Ausland, denn mit den Tillburg Trappers gehörte erstmals auch der niederländische Rekordmeister der deutschen dritten Liga an.
Doch zurück zum heimischen Verein. Ende Juli kam in der Nauheimer Klubführung noch einmal Hektik auf. Notgedrungen - denn Maik Blankart hatte wegen neuer beruflicher Perspektiven kurzfristig um Vertragsauflösung gebeten. So musste ein neuer deutscher Verteidiger ins Team geholt werden. Zum Glück fand man mit Jonas Gerstung aus Weißwasser recht schnell einen adäquaten Ersatz und konnte im August mit vollständiger Mannschaft in die neue Eiszeit gehen. In der Eissporthalle Limburg-Dietz trafen sich die Roten Teufel erstmals zum Eistraining. Noch immer herrschten Temperaturen jenseits der 30°C. Aber die Jungs auf dem Eis machten dennoch mächtig Dampf. Im ersten Testspiel ging es in Limburg gegen die Löwen aus Frankfurt und Bad Nauheim schlug die hochgehandelte Truppe vom Main mit 5:4. Dustin Cameron erzielte den Siegtreffer genau zwei (!) Sekunden vor der Schlusssirene. Was zu diesem Zeitpunkt noch niemand vermutete, solch teuflische Last-Minute-Tore sollten in dieser Spielrunde noch des Öfteren für Furore sorgen.


 
 

Auch neu in dieser Saison: Maskottchen „Hellvis"  Foto: Chuc

Die offizielle Saisoneröffnung stieg am 15. August und lockte Hunderte von Schaulustige auf den Nauheimer Aliceplatz. Unterstützt von Medienpartner FFH bot man zwischen Elvis und Rock ´n Roll dem Publikum eine sehr professionelle Mannschaftsvorstellung. In diesem Rahmen präsentierte sich auch das neue Maskottchen „Hellvis". Die knuffige Plüschfigur fand ob ihrem Kuscheltier-Look vor allem bei den jüngsten EC-Fans großen Anklang. Obwohl anfangs gerade aus diesem Grunde belächelt, entwickelte sich „Hellvis" im Laufe der Runde zu einer bereichernden Figur auf und neben der Eisfläche.
Nach der Feier ist vor dem Schwitzen, denn schon tags drauf ging es für den EC-Tross ins Trainingslager. Wie schon im letzten Jahr fand dieses in Italien statt. Mit zwei Siegen gegen Cortina (5:4) und Sterzing (7:2) schlossen die Roten Teufel die schweißtreibende Woche auch ergebnismäßig sehr ordentlich ab.

 
 

Doch sei’s drum. Der Start in die Punktrunde sah ein Auswärtsspiel in Crimmitschau und ein Heimspiel gegen Aufsteiger Freiburg vor. Klar, dass die Fans angesichts dieser „leichten" Gegner einen Top-Start erwarteten. Aber prompt wurden beide Spiele vergeigt. In „Crimme" unterlag man 4:2 und zuhause gab es vor 2411 erwartungsfrohen Zuschauern eine nie erwartete 3:5-Schlappe. Zu allem Übel verlor man anschließend zudem noch in Dresden, wenn auch erst nach Penaltyschießen. Am Ende des dritten Spieltages und mit drei Niederlagen belastet, fanden sich die Rot-Weißen auf dem 14. und damit letzten Tabellenplatz wieder! So hatten sich das die wenigsten vorgestellt.
Die Hardcore-Kritiker hatten sofort wieder ihren Auftritt. Wie schon im letzten Jahr wollten sie wenig Leidenschaft und Kampfgeist bei der Mannschaft ausgemacht haben. Der „Shit-Storm" im Forum frischte somit früh wieder auf. Hatten sie es nicht alle schon vorher gewusst? Mit diesem Trainer konnte das ja nichts werden. Oh Mann – was für ein Alptraum; schon nach drei Spielen war diese Saison bereits so gut wie gelaufen. Kujala jedenfalls würde Weihnachten nicht als EC-Trainer erleben! Das Festhalten an dem Finnen würde sich fürchterlich rächen… Wetten dass?
Nun, wer bei dieser Wette gegen Kujala setzte, sollte sich heftig täuschen. Die Mannschaft fand sich und kam Spiel für Spiel besser in Schwung. Auch in der Tabelle kletterte man Stück für Stück nach oben. Am 5. Spieltag sprang man erstmals in die anvisierten Pre-Playoff-Ränge. Ein gerüttelt Maß an diesem Aufschwung trug der neue Goalie. Mikko Rämö mauserte sich zu einem außergewöhnlich starken Rückhalt der Mannschaft und gab der jungen Abwehr Sicherheit. Das Unterzahlspiel der Roten Teufel war in der ersten Saisonhälfte sehr effektiv und katapultiere den EC zeitweise sogar zum besten Penalty-Killing-Team der Liga. Dafür schien der Finne seine Mühe bei 1:1-Situationen zu haben. Shootouts waren offensichtlich nicht seine Stärke, denn von den ersten fünf Spielen in denen es zu diesem Showdown kam, gingen vier verloren; Rämö konnte (fast) keinen der Penalty-Schüsse festmachen. Aber: von den 30 Spielen, die den beiden punktlosen Auftaktniederlagen bis zum Jahresende folgten, wurde in 24 Partien gepunktet und nur in sechs Begegnungen gingen die Kurstädter gänzlich leer aus und daran hatte gerade Rämö großen Anteil.

 
 

Spätestens im Herbst hatte sich das Team mit Vehemenz in die Herzen der Fans gearbeitet. Scheinbar verlorengegangene Nauheimer Tugenden, wie bedingungsloser Einsatz bis zur Schlusssirene, wurden wiederbelebt. So wurden wie schon in der Vorbereitung gegen Frankfurt etliche Spiele in den letzten Minuten, ja Sekunden, noch aus dem Feuer gerissen und teilweise gar gekippt. Beispiel SC Riessersee: Am 9. Oktober lag man 58 Sekunden vor Ende der Begegnung gegen die Werdenfelser noch mit 3:4 im Hintertreffen. Doch zwei Tore in der letzten Minute drehten die Partie. Bei 59:03 gelang Dusan Frosch der vielumjubelte Ausgleich. Als ausgerechnet der Ex-Garmischer Andreas Pauli zum 5:4 einnetzte, glich das CKS einem Tollhaus: auf der Uhr standen noch genau 0:01 Sekunden! Beispiel Bietigheim: Nur einen Spieltag später erzielte wiederum Frosch 20 Sekunden vor der Schlusssirene den 3:3-Ausgleich und sicherte einen wichtigen Punkt beim Meister. Beispiel Crimmitschau: Hier lag Bad Nauheim nach dem ersten Drittel bereits 4:1 in Front, mussten aber im letzten Drittel den 4:4-Ausgleichstreffen hinnehmen.

Auf ihm ruhten die größten Hoffnungen für eine stabile Abwehr. Doch Joel Johansson verletzte sich bereits im Oktober und fiel für die komplette restliche Saison aus.  Foto: Chuc

 
 

Doch im Gegensatz zur letzten Saison, wo ein solches Einknicken eigentlich immer mit einen negativen Ausgang für unsere Farben verbunden war, stemmten sich die Roten Teufel gegen die Niederlage, erkämpfen die erneute Führung und sicherten sich drei Punkte.
Es machte plötzlich wieder Spaß sich diese Mannschaft anzuschauen. Die Fangesänge im Colonel Knight Stadion von „Hessens wahrer Liebe" und den „langen Nauheimer Nächten" strotzten vor Enthusiasmus und wurden endlich wieder voller Inbrunst und ehrlicher Begeisterung geschmettert. Vorbei die peinlichen Zeiten in denen nur eine Handvoll jugendlicher Hardcore-Kurvensteher (meist unpassende) Lippenbekenntnisse abgaben. Mit „Immer vorwärts EC" traf ein neuer Schlachtgesang genau den Nerv, den das Publikum tief im Innersten fühlte. Diese Mannschaft ging wirklich heißblütig immer einen Schritt weiter voran. Kein Puck wurde hergeschenkt, kein Zweikampf verweigert und schon gar kein Spiel aufgegeben. Das war die Rot-Weiße Leidenschaft, die Geschäftsführer Andreas Ortwein schon in der letzten Saison als Motto ausgegeben hatte. Nun endlich war sie wieder greifbar zu spüren.

 
 

Henri „Boom, Boom" Laurila kam für Joel Johansson ins Team und lehrte mit seinen „Granaten" die Konkurrenz das Fürchten  Foto: Chuc

Fast schon wie jedes Jahr gab es auch heuer wieder einen Langzeitverletzten in der Verteidigung. Doch markierten in den vorhergehenden Saisons die Ausfälle von Dan Ringwald meist Knackpunkte in der Nauheimer Leistungskurve, so konnte die bittere Knieverletzung von Joel Johansson (Ausfall von Oktober bis Hauptrundenende) gut aufgefangen werden. Mit der schnellen Verpflichtung des Finnen Henri Laurila fand man einen Hochkaräter, der auch die letztjährige Unterstellung, Kujala verfüge über keine ausreichenden Verbindungen in die Spielerszene, widerlegte. Der neue Verteidiger, eigentlich nur bis Ende November an den Klub gebunden, verlängerte als Johansson auch über November hinaus ausfallen sollte, für den Rest der Saison und erfüllte somit einen Herzenswunsch von Fans, Team, Trainer und Klubführung.

 
 

Möglich machten es die Sponsoren des EC, die den Offensivverteidiger mit dem „Riesenbums" kurzerhand finanzierten. Henri Laurila war rasch zum Publikumsliebling aufgestiegen, denn seine Art Eishockey zu spielen erinnerte sehr an große Verteidiger vergangener, glorreicher Zeiten wie Serge Lajoie oder noch früher „Milchmann" Claire Alexander und Wally Olds.
Je näher es auf Weihnachten und das Jahresende zuging, desto eindrucksvoller präsentierten sich Kujalas Jungs. Ab der Adventszeit eilte man von Sieg zu Sieg, legte sechs Erfolge in Serie hin und drang in atemberaubender Art und Weise bis in die direkten Playoff-Ränge vor. Einen dieser Erfolge erzielte man in Dresden, wohin nach über zehn Jahren wieder ein Sonderzug der Deutschen Bahn fuhr. An die 600 rot-weiße Fans sahen eine Klasse-Leistung und vor allem erneut die Last-Minute-Kaltschnäuzigkeit ihrer Roten Teufel. Einen 1:3-Rückstand knappe drei Minuten vor Ende der Partie egalisierte man noch in der regulären Spielzeit und holte sich auch den Zusatzpunkt im Penaltyschießen. Mit an Bord des Partyzuges befand sich Roland Hynitzsch. Der 90jährige hatte 1946 in der Geburtsmannschaft des VfL Bad Nauheim gestanden und sah seit den 70er Jahren erstmals wieder ein Eishockeyspiel live. Die Einladung der Sponsoren in die Stadt an der Elbe, wo Hynitzsch zu Kriegszeiten schon Eishockey spielte, war für ihn das schönste Weihnachtsgeschenk, wie er in einem Telefongespräch gestand.

 
 
 
 

Schon bei der Abfahrt herrscht Optimismus unter den Fans…

… und den obligatorischen Sonderzug-Schal gab es auch wieder

 
 

Einen anderen Glanzpunkt setzte der EC noch abseits von Pucks und Bodychecks. Das dritte Weihnachtssingen der Roten Teufel im CKS besuchten 1100 Teilnehmer und stellten damit einen neuen Rekord auf. Ein ansehnlicher Betrag kam dabei für caritative Zwecke zusammen.

 
 
 
 

Weihnachtssingen im CKS: Eine kleine Tradition setzt sich immer besser durch und brachte einen neuen Rekordbesuch.  (facebook ECN)

 
 

Ausgerechnet einen Tag vor Heilig Abend gab es mit 3:7 leider wieder eine Niederlage. Nach dem Heimspiel gegen Tabellenführer Bremerhaven waren sich jedoch alle Besucher einig: diese Niederlage war alles andere als eine Schlappe, denn erstens fiel sie um mindestens zwei Tore zu hoch aus, zweitens hatte man gerade mal vor zwei Wochen dieses Ausnahmeteam sogar in Bremerhaven 3:5 besiegt und drittens hatte man im ersten Abschnitt eine Spitzenleistung gezeigt. Hätte der EC zu diesem Zeitpunkt anstatt mit 2:3 im Hintertreffen zu liegen mit 4:3 geführt, kein „Fischkopp" hätte sich beschweren können. So feierten die gut 3000 Zuschauer auch Minuten nach der Schlusssirene den Verlierer noch mit langanhaltenden Sprechchören.
Schon am 2. Weihnachtsfeiertag machte Nauheim dort weiter, wo man vor Weihnachten aufgehört hatte. In Freiburg und selbst in Kassel holte man jeweils drei Punkte, bevor auch im letzten Jahresspiel am 30. Dezember gegen Riessersee der höchste Saisonsieg eingefahren werden konnte. Diesmal waren über 3800 Besucher im Stadion; wann hatte es das das letzte Mal in einem „normalen" Hauptrundenspiel ohne Derbycharakter gegeben? Sie sahen ein Match zum Zungeschnalzen. 6:1 hieß der Endstand und brachte den Roten Teufel erstmals in der Saison ein positives Gesamttorverhältnis. Die Tore eins bis fünf hatten diesmal Joel Keussen, Maxi Kammerer, Daniel Ketter, Jonas Gerstung und Max Spöttel geschossen, bevor auch Goldhelm Nick Dineen sich in die Goalgetter-Liste eintrug. Mikko Rämö hatte wieder einen seiner Sahnetage und so riss sich ein Fan in der 2. Drittelpause grinsend zu dem ironischen Kommentar hin: „Scheißspiel… ich kann gar nichts kritisieren!"

 
 

Es gab keinen Grund zum Haare raufen. Kujala machte dieses Jahr alles richtig.  Foto: N. Merz

Petri Kujala saß zum Jahreswechsel so fest im Cheftrainersessel wie nie zuvor. Von wegen Weihnachten nicht überleben. Seine Kritiker waren verstummt und hatten sich teilweise sogar online bei ihm für ihre Einschätzung entschuldigt. In der Begegnung mit Riessersee hatte man ihm erstmals auch Fangesänge gewidmet. Auf die Melodie des Gospelsongs „Kumbaya my Lord" sangen hunderte Kehlen „Kujala lala, Kujala…". Wirklich herzerfrischend diese neue, lange vermisste, Spontanität bei den vereinigten Nauheimer Kurven-Chören!
Der Trainer nahm die Lobeshymnen jedoch genauso gelassen hin wie den Tadel im Frühjahr zuvor: „Das sind die Zeiten, warum wir den Sport ausüben; die schönen Momente. Es werden aber auch wieder andere Zeiten kommen…", so sein Statement schon am 22. Dezember in der WZ. Diese „anderen Zeiten" hatte in diesen Wochen unser „hass-geliebter" Nachbar aus Mainhatten. Ihnen drohten die Löwenfelle davon zu schwimmen, denn Frankfurt hatte in diesen Wochen erstaunlich oft gepatzt. Gut, Torwart Antti Ore fiel wegen einer Meniskusverletzung aus, doch dies ließ Sportdirektor Chernomaz nicht als Ausrede gelten. Weder Platz vier noch satte 51 Punkte waren dem Main-Krösus standesgemäß genug. So feuerten sie kurzerhand ihren smarten Aufstiegstrainer Tim Kehler und Rich Chernomaz übernahm selbst die Leitung der Truppe.

 
 

Aber auch sein Erfolg blieb überschaubar. Das neue Jahr fand Frankfurt (Rang 6) auf dem schlechtesten Platz aller hessischen DEL2-Teilnehmer; Kassel war Dritter, Bad Nauheim Fünfter. Schaute man nur auf den internen Vergleich der ausgetragenen Hessenderbys, so ergab es aus Nauheimer Sicht ein noch viel schöneres Bild: Dort rangierte der EC mit elf Punkten weit vor den beiden Konkurrenten mit jeweils nur fünf Punkten. Auch dies tat natürlich der Kurstadt-Seele sehr gut. Die leichten Seitenhiebe Richtung Bad Nauheim von der Löwen Homepage ließen sich so leicht verschmerzen („Frankfurt (MK) - Auf einer Siegeswelle Zuschauer in Scharen in die Eisarena zu locken, ist ein Leichtes. Wie eng eine Fangemeinde wirklich hinter der eigenen Mannschaft steht, wird jedoch erst in Krisenzeiten ersichtlich. …Trotz zuletzt vier Niederlagen in Folge und des Abrutschens auf Tabellenposition 6 strömten 5.002 Zuschauer zum Aufeinandertreffen der Löwen mit den Heilbronner Falken in die Eissporthalle…")
Die Gründe für das anhaltende Hoch der Kurstädter waren vielfältig. Zum einen trug die Zusammenarbeit mit der DEG grundsolide Früchte. Förderlizenzspieler standen immer parat und gaben dem Kader eine ausreichende Tiefe auch Ausfälle zu kompensieren. Kujala konnte oft aus einem großen Reservoir an Spielern schöpfen, die alle stabiles Zweitliganiveau hatten. Auch die neue Sicherheit in der Defensive gab dem Nauheimer Spiel einen Schub nach vorne. Torhüter Rämö strahlte Ruhe aus, die im letzten Jahr gefehlt hatte. Mit Backup Felix Bick, FöLi der DEG, stand ein weiterer Top-Goalie bereit, sodass Jan Guryca mehr als ausreichend Konkurrenz hatte. Spätestens am Ende der Saison zeigte es sich wie gut und wichtig es war, auch ihn als Reservisten in der Hinterhand zu wissen. So war die Position im Kasten wirklich qualitativ und quantitativ hervorragend besetzt. Zudem schlugen alle Neuverpflichtungen exzellent ein. Mit Nick Dineen und Dustin Cameron hatte man zwei Angreifer geholt, die sich in den Dienst der Mannschaft stellen, ohne selbst glänzen zu wollen – es aber dennoch immer wieder taten. Dineen zuzuschauen war oft geradezu ein Festschmaus für die Augen. So schrieb User „Pacman" im Forum: „An der Spielweise von Nick Dineen kann ich mich nicht satt sehen. Was der ackert und rackert und Pucks holt und verteidigt - Chapeau." Auch Pauli, Keussen und Hofland zeigten was man sich von ihnen erhofft hatte. Und die „Alten" wie Alex Baum oder Harry Lange erlebten ihren zweiten (oder dritten) Frühling. Allen voran zu erwähnen „Baumi", der sich in neun Jahren EC Bad Nauheim von einem Regionalliga-Verteidiger zu einem sehr zuverlässigen DEL2-Defender entwickelt hatte. Diese Mannschaft war ein echtes Team, eine verschworene Gemeinschaft, die immer danach trachtete erfolgreich zu sein. Ein schlichtes aber sehr effektives Erfolgsgeheimnis…

 
 

Prosit Neujahr! Als 2016 kam, ging man in Bad Nauheim in das 70ste Jahr seit Eröffnung des Eisstadion in der Kurstadt. Mehr Schwung, als ihn die Roten Teufel bis hierher generiert hatten, hätte man sich nicht wünschen können. Am 3. Januar stieg das erste Match des neuen Jahres. Die Verantwortlichen hatten sich etwas Besonderes ausgedacht und das Spiel gegen die Top-Mannschaft aus Ravensburg zum "Nostalgie-Spiel" ausgerufen. Mit werbefreien Trikots, die den alten Jerseys des VfL aus der Saison 1977/78 nachempfunden waren, ging es in die Partie. Sie wurde wiederum zu einem Triumph auf ganzer Linie. Zum dritten Mal hintereinander waren mehr als 3000 Zuschauer zu einem normalen Punktspiel erschienen.

Spektakel zum Auftakt des Nostalgiespiels: Die Fan-Clubs organisierten eine über alle Zuschauerblöcke laufende Choreografie, für nunmehr 70 Jahre Eissport.

 
 

Seit 34 Jahren erstmals wieder „VfL"-Spieler auf Bad Nauheimer Eis – die Nostalgie-Trikots machten es möglich.

Sie trieben den Zuschauerschnitt hoch auf 2621 Besucher. Nach verhaltenem Auftakt und einem 0:1-Rückstand schwangen sich die Roten Teufel erneut zu einem grandiosen Endspurt auf. 5:3 endete die Begegnung und seit 34 Jahren schallte angesichts der Nostalgie-Trikots mit VfL-Logo auf der Brust, erstmals wieder der alte Schlachtruf „V-V-VfL" durch die heiligen Hallen des ehemaligen Hunderttage-Stadions. Den älteren Fans, die die Tage eines Rainer Philipp, Werner Bachmann oder Dieter Jehner noch selbst miterlebt hatten, trieb dies eine wohlige Gänsehaut auf den Rücken. Ebenso lautstark wie der Nauheimer Sieg wurde die gleichzeitige 4:1-Niederlage der Löwen aus Frankfurt bei den Dresdener Eislöwen bejubelt, bedeutete dies doch einen Vorsprung von sechs Punkten auf den Nachbarn und Platz vier in der Tabelle für die Kurstädter. So konnte das Jahr aus Nauheimer Sicht wahrlich weitergehen.

 
 

Bedauerlicherweise tat uns das neue Jahr diesen Gefallen nicht. Dem Fan, der sich noch im Spiel gegen Riessersee echauffierte „gar nichts kritisieren zu können", wurde leider viel zu rasch geholfen. Nach dem Hoch folgte die Ernüchterung mit vier Niederlagen in fünf Spielen; Niederlagen, die zum Teil richtig wehtaten. Darunter auch eine 0:4-Pleite in der Löwen-Sauna und ein 1:4 zu Hause gegen Crimmitschau.

 
 

Ein Highlight dieser Tage, allerdings ohne Nauheimer Beteiligung, sollte in dieser Chronik nicht unerwähnt bleiben. Im Fußballstadion von Dynamo Dresden fand das erstmals in der zweiten Liga ausgetragene Winter Derby statt. Dresdner Eislöwen und Lausitzer Füchse duellierten sich vor sage und schreibe 31.853 Zuschauern. Der MDR übertrug das Großereignis live und so erreichte dieses Match sicherlich in der ganzen Republik noch eine Großzahl weiterer Zuschauer. Ein Dresdner Freund, der selbst vor Ort im Stadion war, schwärmte von der genialen Stimmung. Die Pausenshows bezeichnete er als das beste Rahmenprogramm, das im neuen Dynamo Stadion bisher präsentiert wurde – Fußballveranstaltungen eingeschlossen! Einfach großartig, dass Eishockey durch solch ein Event in Deutschland nach vorne gepusht wird.

 
 

In Bad Nauheim kehrten nach dem kleinen Tief wieder Tage der Zufriedenheit ein. Zwei Wochenenden hintereinander gelang jeweils mit sechs Punkten die maximale Zählerausbeute. Auch Kassel schlug man zuhause deutlich mit 5:2. Obwohl die Nordhessen ein klares optisches Übergewicht hatten, spielten die Rot-Weißen so clever und abgeklärt ihr System, dass selbst der Gästetrainer neidlos von einem verdienten Sieg der Kurstädter sprach. Der Spielplan versprach das seinige dazu beizutragen, dass der nunmehr Viertplatzierte sich sogar zu noch größeren Taten hätte aufschwingen können. Dresden, Tabellenachter, und Kaufbeuren – gar nur Elfter, sollten zuhause schlagbar sein, wohingegen die punktgleichen Huskies das weitausschwierigere Programm hatten. Wer jedoch schon länger Fan der Roten Teufel ist, weiß wie gerade solche Spiele enden… gegen Dresden gab es eine knappe, aber verkraftbare Niederlage mit 2:4.
Kaufbeuren führte uns da schon heftiger am Nasenring durchs Stadion. Es war ein Spiel wie gegen Kassel – nur mit vertauschen Rollen. Der EC dominierte optisch das Spiel, kam jedoch wie aus dem Nichts mit 0:2 in Rückstand. Als im zweiten Drittel der umjubelte Ausgleich gelang, brauchten die Allgäuer lächerliche 63 Sekunden, um den alten Abstand wieder herzustellen. Letztendlich ging dieses Match mit 3:4 sehr, sehr ärgerlich verloren. Gerade im ersten Drittel hatte man Chancen zuhauf versemmelt; selbst eine fast zweiminütige 3:5-Überzahl blieb ungenutzt. Worüber man sich am meisten wundern musste: die zuletzt so abgeklärte Spielweise der Mannschaft wurde zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd erreicht. Jeder spielte fast eine Klasse nervöser, unkonzentrierter und hektischer als zuvor. Es waren dieselben Spieler wie beim genialen 5:2 gegen Kassel, aber es war wahrlich nicht die gleiche Mannschaft…
Zu diesem Zeitpunkt war der Klassenerhalt bereits gesichert, denn die Pre-Playoffs waren Bad Nauheim nicht mehr zu nehmen. Angesichts dieser Tatsache blickten die Fans selbstredend nach vorne und wollten nun auch die direkte Playoff-Qualifikation. Am besten mit Heimrecht im Viertelfinale, sprich mindestens Platz vier. Die Realisierung dieses Wunsches schien nicht unrealistisch, denn mit 76 Punkten lag Kujalas Team auf Platz fünf; nur zwei Punkte hinter Ravensburg und drei hinter Kassel. Doch weigerten sich alle, Verantwortliche wie Aktive, beharrlich offiziell ein anderes Ziel als die Pre-Playoffs zu benennen. „Wir schauen von Spiel zu Spiel. Was am Ende herauskommt werden wir sehen!" Seit Wochen war dies das Credo, welches unisono zu hören war.  
War das ein Fehler, war es Tiefstapelei oder doch weise Voraussicht? Die Meinungen darüber gingen hier auseinander. Nach dem Spiel gegen Kaufbeuren diskutierten einige, ob es gerade die Angst vor der eigenen Courage oder die fehlende Zieldefinition sei, die die Mannschaft so gelähmt hatte. Ganz klar, gemessen an den ursprünglichen Erwartungen, war diese Saison bis dato herausragend – da gab es keine zwei Meinungen. Diese Spielzeit hatte schon so viel Spaß gemacht! Aber noch waren acht Spiel zu absolvieren. Ob da das Motto „schau mer mal…" die richtige Motivationsbasis bildete, mussten die restlichen Spiele zeigen.
D
ie Fans und sicherlich auch die Aktiven sowie die Verantwortlichen wurden hier auf eine harte Probe gestellt. Seit dem 26. Spieltag war die Erfolgskurve der Rotweißen im Wesentlichen stetig nach oben gegangen; doch mit den Niederlagen gegen Dresden und Kaufbeuren setzte eine Kehrtwende ein. Nun ging es im Wesentlichen bergab. Doch noch hatte man ein gutes Punktepolster auf die Pre-Playoff-Ränge. Namentlich Dresden und Rosenheim waren die Teams, die den Kurstädtern noch in die Suppe spucken konnten. Aber genauso gut - sah man es optimistisch - war Platz vier, ja sogar Rang drei noch in Reichweiter.
Die letzten Wochen der Hauptrunde entpuppten sich als eine wahre Wundertüte. Der Trend einer negativen Leistungskurve blieb zwar, doch punkteten die Kurstädter immer dann, wenn man es gerade nicht für möglich hielt. Beispielsweise in Ravensburg, wo ein überraschender 3:4-Auswärtssieg gelang. Oder auch gegen Angstgegner Crimmitschau; in einem nervenaufreibenden Spiel gingen die Westsachsen immer wieder in Führung, doch die Teufel glichen stets postwendend aus. Im Penaltyschießen konnte man letztendlich den umjubelten Sieg sicherstellen, der von der Tabellensituation dennoch als Punktverlust gewertet werden musste. Im Sechs-Punkte-Spiel zuvor gegen Rosenheim war es grade andersherum gelaufen. Nach einem grandiosen Start mit 2:0-Führung nach nicht einmal acht Minuten, musste man sich - ebenfalls nach Penaltyschießen - mit 4:5 geschlagen geben.
Dumm gelaufen, denn Rosenheim und Dresden berappelten sich von ihren zwischenzeitlichen Tiefs und machten wieder mächtig Dampf im Kampf um Platz sechs. Die Lage für die Roten Teufel wurde von Spieltag zu Spieltag brenzliger. Das Polster schmolz unaufhörlich dahin. Am vorletzten Spieltag betrug es nur noch mickrige zwei Pünktchen gegenüber Dresden; Rosenheim hatte sich durch eine Niederlage in Kaufbeuren selbst aus dem Rennen katapultiert. Doch offiziell galt Bangemachen nicht! Immer wieder wurde von Mannschaft und Funktionären beteuert, dass man es noch immer selbst in der Hand habe, aus eigener Kraft die direkte Playoff-Quali zu schaffen.
Der Spielplan sah just zu diesem Zeitpunkt das zweite Auswärts-Hessenderby gegen Frankfurt vor. Auch die Mainstädter hatten die K.O.-Runde noch nicht fest gebucht und brauchten unbedingt mindestens einen Punkt, um sich all ihrer Sorgen zu entledigen. Die Realisten im Nauheimer Lager sahen deshalb keine wirkliche Chance in diesem wichtigen Spiel zu punkten, denn man hatte die enttäuschende 0:4-Niederlage des Vorspiels noch im Kopf. Dresden hatte es zuhause „nur" mit dem bereits als Tabellenletzten feststehenden Falken aus Heilbronn zu tun, eine sehr lösbare Aufgabe.

 
 

…und immer wieder Rämö! Nach der Hauptrunde herrscht die einhellige Meinung: Was für ein Glück, dass Keller zu den Huskies ging…   Foto: Chuc

Ein Blick auf den DEL2-Ticker am späten Sonntagabend des 28. Februar brachte Unglaubliches: Die sächsischen Löwen hatten erwartungsgemäß ihr Heimspiel mit einem deutlichen 8:3 gewonnen, doch die hässlichen – pardon, hessischen – Löwen gingen gegen die Roten Teufel mit 1:3 baden. Bad Nauheim holte damit im vierten Derby den dritten Sieg gegen Frankfurt! Neben dem Hochgefühl, damit die inoffizielle Hessenmeisterschaft eingefahren zu haben, beließ dieses Resultat alle Trümpfe in kurstädtischer Hand auch das Playoff-Viertelfinale in Weißwasser endgültig eintüten zu können. Der schon einmal zitierte „Pacman" schrieb im EC-Forum vor dem letzten Spiel daher sehr treffend: „Und jetzt bitte das Aufgebaute nicht gleich wieder mit dem Hintern umwerfen. … Ein verdammter Sieg noch, einmal noch Vollgas. Danach gibt es genügend Zeit die Batterien wieder aufzuladen."
Jaaaaawollll! Das Spiel wurde gewonnen! Zweimal Vitalij Aab (ausgerechnet er, der doch in dieser Saison mehr oder weniger ein Schatten seiner selbst geblieben war), einmal Harry Lange und gefühlte tausendmal Mikko Rämö! Ein Spiel wie es der EC schon mehrfach in dieser Saison hingelegt hat. Nach dem frühen 3:0 im ersten Drittel wurde es noch (unnötig) spannend und der finnische Goalie rettete den Teufeln den Hintern. Kujala meinte dann auch auf der Pressekonferenz: „Wie wir gewonnen haben ist mir scheißegal! Wir können anscheinend nur spannend!"
Nachdem der Sieg feststand, war eigentlich nur noch eine Frage offen: Bekommen wir das Playoff-Hessenderby gegen Kassel oder fahren die Nordhessen nach Frankfurt?

 
 

Nachdem der Sieg feststand, war eigentlich nur noch eine Frage offen: Bekommen wir das Playoff-Hessenderby gegen Kassel oder fahren die Nordhessen nach Frankfurt? Da das Endspiel um Platz drei in Kassel gegen Ravensburg einige Minuten länger lief, schauten viele gespannt auf den Live-Ticker. 3:3 nach regulärer Spielzeit - die Overtime ging an die Oberschwaben. Mist! Die Huskies hatten sich damit Frankfurt ausgewählt. Verständlich wenn man auf die Playoff-Historie schaut, denn gegen Frankfurt sieht deren Bilanz wesentlich besser aus als gegen die Kurstädter. Aber was soll‘s… die Fans freuten sich auf Zweitliga-Playoffs; erstmals nach zwölf Jahren Abstinenz!

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Playoff sind das Salz in der Suppe, das Sahnehäubchen auf der Saison, das Highlight aller Bemühungen… Welcher Spieler, welcher Trainer, welcher Funktionär und welcher Fan ist nicht bis in die Haarspitzen elektrisiert, wenn es nach einer langen, nervenaufreibenden Spielrunde endlich in die hart erarbeitete K.O.- Runde geht. Hier zählt nichts anderes mehr als der Sieg – egal wie. Alleine das Wort PLAYOFFS setzt üblicherweise ungeahnte Reserven frei, motiviert ohne weitere Anreize und lässt auch den Fan bereitwillig einen Playoff-Zuschlag auf den normale Obolus eines Tickets draufzahlen. Es sind einfach andere Zeiten und es gelten andere Gesetze als während der langen Saison.
Genau mit dieser prickelnden Vorfreude gingen die Anhänger des EC Bad Nauheim  am 11. März in die ersten DEL2-Playoffs der Nauheimer Eishockeygeschichte. Den Gegner des Viertelfinales, die Towerstars aus Ravensburg, hatte man im direkten Saisonvergleich mit 8:4 Punkten geschlagen. Rechtzeitig zu den Playoffs gab selbst die Fachzeitschrift Eishockey News noch einmal psychologischen Rückenwind, denn Petri Kujala wurde zum Trainer der Saison gewählt und Mikko Rämö erhielt den Titel „Goalie des Jahres". So viel offizielle Ehre hatte das Bad Nauheimer Eishockey noch nie erhalten.
Nun, die Erwartungen der Nauheimer Fans waren wieder einmal hoch – wie übrigens bei den Anhängern aller anderen sieben Clubs auch. Zwar galt gerade für den EC das Motto „Alles ist möglich – Nichts ist gefordert", denn die Saison war ja an und für sich schon weitaus erfolgreicher als man es sich erhofft hatte, doch sind wir ehrlich: Spekuliert hat man schon mehr auf den ersten Teil des Mottos – und das natürlich in positiver Erwartung! Zumindest ein drittes Heimspiel in der Best-of-Seven-Serie wünschte man sich, wozu die Rot-Weißen zwei Siege benötigt hätten.
Was dann folgte war… nun, zumindest in den beiden Auftaktspielen, enttäuschend! Mit 0:2 nach Siegen startete die Serie, denn in Ravensburg gab es eine knappe 2:1-Niederlage und zuhause eine sehr ernüchternde 0:4-Katsche. Ravensburg war eindeutig die bessere Mannschaft, hatte spielerisch ein klares Übergewicht und nutze vor allen Dingen seine Chancen weitaus cleverer als die Roten Teufel. Gerade das erste Heimspiel vor 3708 Zuschauern ließ viele Wünsche offen, entbehrte fast alles was man von einem Playoff-Spiel erwartet und nährte nicht die Hoffnung auf einen schnellen Umschwung.
Im dritten Spiel legten die Rot-Weißen dennoch eine ganze Schippe drauf, zeigten gutes Hockey und… verloren dennoch 3:0. (Mit-)entscheidend hierfür war jedoch eine grottenschlechte Schiedsrichterleistung. Ravensburg ging durch einen sehr umstrittenen Treffer in Führung, denn der Schuss ging vermeintlich nur an die Latte und lediglich die Schiedsrichter Hascher und Hatz wollten den Puck im Tor gesehen haben. Nauheims Ausgleichtreffer verweigerten sie hingegen die Anerkennung. Torschütze Dusan Frosch soll beim Schuss im Torraum, und damit im Abseits, gestanden haben. Beide krassen Fehlentscheidungen konnten durch die TV-Aufnahmen des Internet-Dienstes SPRADE widerlegt werden, doch ist ein Videobeweis erst ab der kommenden Saison zulässig. So mussten die Badestädter mit den Unzulänglichkeiten der Zebras leben und es stand es nicht 1:0 für Bad Nauheim sondern für Ravensburg. Als sei dies nicht schon Strafe genug, verletzten sich auch noch Diego Hofland und Mikko Rämö und sollten für die kommenden Spiele ausfallen. Zum Ende der Partie stand es 3:0 für Ravensburg, sowohl für dieses Match als auch nach Siegen in der Playoff-Serie.
Was konnte man in Bad Nauheim noch erwarten? Rämö verletzt, Backup-Goalie Bick nicht im Kader, da er bei der DEG auf der Bank sitzen musste und Ravensburg brauchte nur noch einen Sieg zum Einzug in das Halbfinale. Klar, dass sich die Erwartungen der EC-Anhänger beim vierten Spiel auf ein Minimum reduzierten.

 
 

Am Freitag, den 18. März stieg dieses vierte Spiel im CKS. Jan Guryca, bisher nur als Rämö-Vertreter für gut sieben Minuten in Ravensburg im Gehäuse der Roten Teufel, bekam die erste Chance in dieser Saison seine Qualitäten vor Publikum zu beweisen. Und wieder war eine stattliche Kulisse mit über 3400 Zuschauern vor Ort – sie sollten ihr Kommen nicht bereuen. Das Match bot Dramatik, Klasse, Spannung und ein Happy End. Ohne Rämö und Hofland, dafür erstmals mit den zwei Kontingentspielern Johansson und Laurila in der Abwehr, boten die Roten Teufel ein klasse Playoff-Spiel. Dustin Cameron brachte unsere Farben mit einem sehenswerten Penalty in Führung, nachdem er bei einem Break von zwei Ravensburgern unmittelbar vor dem Tor von den Beinen geholt worden war.
Zu Beginn des zweiten Drittels erhielt Cameron, der Torschütze zum 1:0, eine 5-Minuten- plus Spieldauer Disziplinarstrafe. Da Vitalij Aab bereits auf der Strafbank saß und zuvor Gerstung mit einem Ravensburger eine Rangelei ausfocht, die beiden 2+2 Minuten einbrachte, musste der EC sieben Minuten in Unterzahl spielen; zwei davon mit drei gegen fünf. Die Stimmung im Stadion kochte über, denn wieder schien der EC durch Schiedsrichterentscheidungen benachteiligt. Minutenlang hagelte es Pappbecher, Feuerzeuge und Geldmünzen auf das Eis – eine hirnlose Unsitte, die einfach keinen Sinn macht.

Jan Guryca musste ohne Spielpraxis die Playoff-Spiele 4 und 5 bestreiten und tat das hervorragend  Foto: aus WZ

 
 

Diesmal lagen die beiden Referees aber sogar richtig! Die Fernsehbilder zeigten, was im Stadion fast keiner mitbekommen hatte. Cameron hatte einen Stockstich gegen Ravensburg gesetzt und flog berechtigterweise aus dem Spiel. Es war diese doppelte Überzahl, die die Ravensburger für den Ausgleich nutzten. Zu mehr reichte es aber nicht, denn Guryca hielt bravurös und das Team glänzte durch große Aufmerksamkeit. Erst als beide Mannschaften wieder komplett waren, legten die Oberschwaben durch einen platzierten Schuss von der linken Seite einen Treffer vor. Zornig pushten die Zuschauer den EC nach vorne. In der 35. Minute gelang Aab der umjubelte Ausgleich und im letzten Durchgang gelang demselben Spieler gar der 3:2-Siegtreffer. Wieder Aab, ausgerechnet er, der eine total verkorkste Saison hinter sich hatte, sorgte für den ersten Sieg in der Serie.
Mit diesem Erfolgserlebnis konnten die Fans hervorragend leben. Egal was jetzt auch passieren würde, denn damit hatte man auch in den Playoffs besser abgeschnitten als die Nachbarn aus Frankfurt. Diese hatten schon der bei Durchsage der Zwischenstände der anderen Partien für hämische Schadenfreude auf den Rängen gesorgt, denn sie flogen mit einem Sweep gegen die Huskies im hohen Bogen aus dem Wettbewerb. Gerade das vierte Spiel zuhause am Ratsweg sorgte für gute Laune bei den Fans der „Rübenbauern". 1:8 lautete nämlich der Endstand. So etwas musste jeden Löwen-Sympathisant frustrieren…
Mit Spiel fünf in Ravensburg hatten die Süddeutschen erneut einen Matchball. Lange stand die Begegnung 0:0, doch in der 15. Minute des zweiten Drittels passierte, was man im Nauheimer Lager unbedingt vermeiden wollte: Ravensburg ging in Führung und baute diese im letzten Drittel noch aus. Am Ende stand eine 3:0-Niederlage für Bad Nauheim und das Aus im Viertelfinale.
So endete diese Spielzeit am 20. März 2016. Eigentlich nicht dramatisch, aber ein wenig mehr Pepp im ersten Heimspiel, ein wenig mehr Fortune in Spiel drei und fünf… wer weiß wieviel mehr  Spaß wir noch hätten haben können. Doch das soll weder Kritik noch Lamentieren auf hohem Niveau sein. Zwischen der Enttäuschung des ersten Saisonwochenendes und dem Ausscheiden in den Playoffs, lagen tolle Begegnungen und eine sehr unterhaltsame Saison. Was die Verantwortlichen erfreuen muss, ist die Tatsache, dass wieder ein Zuschauerzuwachs zu verzeichnen war. Seit 2009/2010 ging es immer nach oben mit den Besucherzahlen. In dieser Saison hatten der EC einen Schnitt von 2630 und das obwohl die Hessenderbys nur ein einziges Mal ausverkauft waren. So kann es doch weiter gehen in Bad Nauheim. Immer vorwärts EC…

 
 

Team 2015/2016 vs. Vizemeister VfL Bad Nauheim von 1948 (Fotomontage: Marcel Simon)

Ändern sollte sich hingegen etwas anderes: Die Qualität der Schiedsrichter in der DEL2 muss sich endlich verbessern. Was über die Saison gesehen an Fehlentscheidungen getroffen wurde, geht bald nicht mehr auf die berühmte Kuhhaut. Es kann nicht angehen, dass ein DEL-Schiedsrichter, der in der DEL wegen krasser Fehlentscheidungen gesperrt wird, einfach in der DEL2 zum Einsatz kommt – so geschehen bei Herrn Sirko Hunnius, der die vierte Partie in Bad Nauheim pfeifen durfte, obwohl er bis zum Saisonende für die DEL gesperrt wurde. Warum führt man nicht auch bei den sogenannten Unparteiischen eine Art Tabelle ein? Ein Rangliste, die die Leistung in der laufenden Saison widerspiegelt. Dann hätte man in den wichtigsten Spielen eine gute Entscheidungsgrundlage für den Einsatz von Playoff-Schiris. Das wäre eine bessere Lösung als das aktuell praktizierte Vier-Mann-System, bei dem sich die Herren in Schwarz-Weiß doch nie einig sind.

 
 

Belassen wir es bei dieser kurzen Schiri-Schelte. Ein kurzer Blick nach vorne lohnt vielleicht noch, denn die kommende Saison ist nur fünf Monate von entfernt. Mit Mikko Rämö hat Bad Nauheim sich bereits einen Hochkaräter gesichert. Auch Dusan Frosch hat schon vor der Saison einen Zweijahresvertrag unterschrieben, wird also wieder für die Rot-Weißen auflaufen; hoffentlich in einer besseren Verfassung als dies in den letzten Spielen der Fall war. Was aus dem Rest der Truppe wird, muss man abwarten. Einige, wie Vitalij Aab, Patrick Strauch, Alex Baum oder Henri Laurila sind in einem Alter, wo man Eishockey nicht mehr unbedingt aktiv betreiben muss (in einigen Fällen aber gerne weiterhin darf!). Andere wie Marc Kohl oder Joel Keussen - ihm wird bereits ein Wechsel nach Krefeld in die DEL nachgesagt - sollten die Zeit nutzen ihre Leistungen wieder auf das Niveau vom Winter zu bringen. Joel Johansson wird einen kompletten Neustart benötigen, zulange musste er pausieren. Doch warten wir einfach ab, wie das neue Team der Roten Teufel besetzt sein wird. Mit einigen personellen Änderungen könnte die Kurstadt durchaus wieder eine gute Rolle im Konzert der DEL2-Clubs spielen.
Schon heute steht fest, dass die Saison am 10. September mit einem vorgezogenen „Summer Game" in der Frankfurter Commerzbank-Arena beginnen wird. Die Löwen empfangen dann bei 30°C die Huskies aus Kassel und erhoffen sich einen neuen DEL2-Rekordbesuch von T-Shirt-, Bermuda-Shorts- und Badelatschen-Trägern. Aus Nauheimer Sicht ist es mehr als schade, dass die Roten Teufel zu keinem Zeitpunkt als Gästeteam gewünscht waren. Nach offiziellen Aussagen zieht das „DEL-Traditionsduell" mehr als ein Spiel gegen die „Wetterauer Bauern". …Und außerdem feiert Kassel 2016 schon 50 Jahre Eishockey!

Plakat zur 70-Jahrfeier

 
 

Wer da Ärger beim Autor dieser Zeilen herauslesen will, ja, der hat recht! Mich ärgert diese Ignoranz. Aber feiern wir 2016 einfach unser „popliches" 70jähriges Eissport-Jubiläum - das muss man ja in Frankfurt nicht zur Kenntnis nehmen. Die Ausstellung vom 1.-3. April im Colonel Knight Stadion wird sicherlich interessant, denn es wird einiges zu sehen und zu hören sein von der großen Tradition des Nauheimer Eishockeys …

Euch allen einen schönen Sommer und bis zum September!

 
 

30. April 2016

 
 
 
 
 
 

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