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Colonel Knight

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Ein "Ritter" ohne Furcht und Tadel
Bericht aus dem "Bad Nauheim Journal" von 1998


Nur wenige Zeitzeugen haben ihn kennengelernt, jenen damals etwa 53jährigen Paul R. Knight aus Fort Lavenworth (Kansas), der als Colonel der US-Army nach Kriegsende 1945 Stadtkommandant von Bad Nauheim war. Mit dem von ihm auf Befehl vom 7. Oktober 1945 gebauten und am 22. Januar 1946 - acht Monate nach dem Zweiten Weltkrieg - feierlich eröffneten Bad Nauheimer Eisstadion setzte er sich ein Denkmal. Sein damaliger Kommentar: »Die amerikanischen Soldaten werden gehen, aber das Eisstadion wird bleiben.«

Wer war dieser Paul R. Knight? Darauf gab die Ehefrau des verstorbenen Hans Unger, mit dem der Aufstieg des Bad Nauheimer Eishockeys ganz eng verbunden war, ausführlich Auskunft. Als Dolmetscherin und Sekretärin des amerikanischen Stadtkommandanten der Kurstadt war sie es, die im Hintergrund Fäden knüpfte, Türen aufstieß und - dies war unmittelbar nach Kriegsende schier unvorstellbar - viele wichtige Kontakte zwischen der Besatzungsmacht und der Bad Nauheimer Bevölkerung herstellte. Alle, die diese Zeit miterlebt haben, wissen, wie angespannt mitunter das Verhältnis zwischen den Amerikanern und der deutschen Bevölkerung war. Wie Margot Unger anführte, war der Stadtkommandant, der in der Kurstraße 26 gegenüber von Otto Franz Kutscher wohnte, anfangs kein Freund der Deutschen und regierte mit eiserner Hand, galt doch der allgemeine Befehl »No fraternization« (keine Verbrüderung).

 
 

Mit der Zeit entwickelte sich aber eine enge Freundschaft zu dem Künstler O. F. Kutscher, da sich Paul R. Knight auch zur Kunst hingezogen fühlte und selbst ein guter Maler war. Gesellige Musikabende bei O. F. Kutscher taten ihr übriges. Paul R. Knight veranstaltete in der Trinkkuranlage eine Ausstellung »Oberhessischer Künstlerbund«. Bei dieser Ausstellung wurden einige Kunstgegenstände gestohlen. Otto Franz Kutscher empfahl Paul R. Knight Margot Unger als Kontrolleurin einzustellen, was letztendlich dazu führte, daß sie auch seine Sekretärin wurde.

Frau Unger erinnert sich an ihn als einen »sehr gut aussehenden Mann und Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle«. Nach getaner Arbeit sagte er häufig zu seiner Sekretärin: »Let's go to the ring« (Laß uns zum Eisstadion gehen). Allmählich wandelte sich sein Feindbild, und er wurde ein Freund der Deutschen, was sicherlich auch auf den positiven Einfluß von Frau Unger zurückzuführen war.

Oberst Knight machte seinem Namen (Knight = Ritter) alle Ehre und erwies sich als ein wahrer Ritter bei der Realisierung seiner Pläne zum Bau des Eisstadions. Die äußerst starken, geradezu ablehnenden Bedenken des damaligen Bürgermeisters Bräutigam, ein Herzheilbad brauche kein Eisstadion, konnten ihn nicht davon abhalten, seinen Plan zu realisieren. Als die Standortwahl getroffen war, setzte er seine Truppen mit schwerem Gerät in Marsch und holte den Münchener Kunsteis-Experten Dürr nach Bad Nauheim. Dieser traf am 7. Oktober1945 ein und erhielt den Befehl, die Eisfläche innerhalb von 100 Tagen fertigzustellen. Er begann am 15. Oktober mit der Arbeit. Die nötigen Materialien ließ Knight requirieren, darunter in Kassel lagernde Kältemaschinen, vier Bauunternehmen wurden zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengefaßt, Arbeitskräfte eingeteilt und in der Endphase auch 270 ehemalige Nationalsozialisten zu Aufräumungsarbeiten befohlen. Die US-Army war selbstverständlich auch mit von der Partie. Zeitweise arbeiteten 250 Personen gleichzeitig auf der Baustelle, darunter 50 Strafgefangene aus Butzbach. Genau 100 Tage nach Baubeginn war das Stadion fertig und wurde von der Bevölkerung das »Hundert-Tage-Stadion« genannt. Am 22., 23. und 24. Januar 1946 fand die unvergeßliche Eröffnungsschau statt mit einer Aufführung von »Holiday on Ice« aus Garmisch und dem Star Maxi Herber. Durch die Eröffnungsfeier, erinnert sich Margot Unger, sei die Deutschfreundlichkeit von Paul R. Knight in der amerikanischen Soldatenzeitung »Stars und Stripes« bekannt geworden; es wurde berichtet, daß er mit Hans Unger, der damals die von der US-Army verursachten Schäden aufnahm, Margot Unger und anderen ehemalige Parteigenossen beschäftige, obwohl er im Vorfeld vor solchen Einstellungen eindringlich gewarnt worden sei. Knight habe hier wie auch bei dem Bau des Eisstadions, jedoch seine eigenen Vorstellungen durchgesetzt. Dies sollte in seiner beruflichen Laufbahn tiefe Spuren hinterlassen, berichtet Margot Unger; eine noch vor seiner Pensionierung fällige Beförderung zum General wurde nicht vorgenommen und er mußte Bad Nauheim nach der Eröffnungsfeier verlassen. Vorher gab er Hans und Margot Unger den Rat ihre Tätigkeiten bei der Army zu kündigen.

Paul R. Knight mußte also seine Liebe zum Eissport und zu den Deutschen persönlich teuer bezahlen, was er aber ohne Groll hinnahm. Hans Unger hatte aber während seiner Tätigkeit bei der Army einflußreiche Offiziere kennengelernt, wie zum Beispiel den Sportkommandanten Hattrick, die dem Aufbau einer Eishockeymannschaft sehr wohlwollend gegenüberstanden. So organisierte Hans Unger im Herbst 1946 die erste VfL-Eishockeymannschaft mit einigen Rastenburgern und dem Sudetendeutschen Ernst Eichler. Hans Unger stand mit allen ehemaligen Rastenburger Spielern in Verbindung und holte sie schließlich nach Bad Nauheim. Der unglaubliche Aufschwung des VfL Bad Nauheim nahm seinen Anfang. Bereits in der Saison 48/49 wurde die Deutsche Eishockey-Vizemeisterschaft erreicht. Das »Wunder von Bad Nauheim« fand in der Presse ein großes Echo. Viele Amerikaner waren fanatische Eishockeyanhänger und unterstützten die Spieler nicht nur lautstark während der Spiele, sondern versorgten sie auch mit vielem, was damals Seltenheits- und dementsprechend hohen Schwarzmarktwert hatte: Lebensmittel, Schokolade, Coca-Cola, Kleidung, Sportutensilien usw. Auch Einladungen amerikanischer Familien für die Spieler waren an der Tagesordnung. Ein glückliches Schicksal hatte Hans Unger 1945 nach Bad Nauheim geführt. 1943 hatte er in Garmisch eine Rastenburger Jugendmannschaft betreut - und dabei seine zukünftige Ehefrau Margot kennengelernt, die gerade in Garmisch Urlaub machte. Unger, ein Mann von schnellem Entschluß, verlobte sich innerhalb von sechs Tagen mit ihr. Sie ging nach Düsseldorf zurück, wurde dort ausgebombt und wählte - ein weiterer Zufall - Bad Nauheim als künftigen Wohnort. Als der Krieg zu Ende war, kam Hans Unger ganz schnell aus Rastenburg nach Bad Nauheim, die Liebe hatte trotz der langen Trennung keinen Schaden genommen.

 
 
 
 

Die Rastenburger Eishockeyspieler (v.l.: Bock, Niess, Eichler, Unger, Schmollinga, Schibukat, Ditbern)

Eine Reihe glücklicher Zufälle machte so das Bad Nauheimer Eishockey-Märchen wahr. Der ehemalige Stadtkommandant Paul R. Knight pflegte nach Verlassen der Kurstadt weiter freundschaftliche Kontakte zur Familie Unger. Im Sommer 1951 besuchte er das Ehepaar in der Kurstadt und ging danach mit einem Mietauto auf Europatrip. Dabei lernte er eine Französin kennen, die er dann auch heiratete. Von da an verlor man sich für immer aus den Augen.

Ohne den Urheber des Eisstadions, Colonel R. Knight, und das Mitwirken der genannten Personen könnte Bad Nauheim heute nicht auf eine über 50jährige Eishockeygeschichte zurückblicken. Nicht zuletzt wurde der Bad Nauheimer Bevölkerung mit dem Bau des Eisstadions, verbunden mit den großen Erfolgen des VfL, in der schweren und oft ausweglos erscheinenden Nachkriegszeit neuer Lebensmut vermittelt. Bad Nauheim sollte die Erinnerung pflegen an Colonel Knight, diesen »Ritter ohne Furcht und Tadel«.


 
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