Tecks Spielwiese

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü

2007/2008

Saisonchroniken > 2000er Jahre
 

Spätzünder

Und wieder wurde Vereinsgeschichte geschrieben: Erstmals seit in Bad Nauheim der schwarzen Hartgummischeibe nachgejagt wird, werden die Roten Teufel zwei Jahre hintereinander in der Oberliga spielen. (Genau genom­men müsste man schreiben „in einer 3. Spielklasse spielen“, denn in den 40er und 50er Jahren gab es ja bereits mehrfach Oberliga­jahre in Folge – nur nannte sich damals noch die erste Spiel­klasse so.)

Da seit Sommer letzten Jahres nichts anderes als der Klassen­erhalt als Ziel ausgegeben wurde, könnte man eigentlich sagen: Prima, gestecktes Ziel erreicht! - Aber ganz so „prima“ verlief diese Spielzeit keineswegs. Zwischenzeitlich hielten viele den Atem an, dass man aus dieser Saison mit zwei blauen Augen (sprich einem sportlichen und einem wirtschaft­lichen) herauskommen würde. Es gab viel Schatten, aber gerade zum Ende hin auch hoffnungsvolles Licht.

Doch schauen wir zurück: Wie so häufig in den letzten Jahren hofften die Teufelfans, dass die neue Geschäftsführung ihre Hausaufgaben über den Sommer ordentlich erledigt hatte – und zwar so ordentlich, dass das vorgegebene Saisonziel Oberliga­erhalt ohne großen Stress erreicht werden könne. Den Machern mit Wolfgang Kurz an der Spitze sowie Hauptsponsor Harald Schüssler, auch gleichzeitig zuständig für die GmbH-Finanzen, traute man durchaus zu, dass alles akribisch sauber und mit der nötigen Sorgfalt geplant worden war. Klassenerhalt als Minimalziel, dabei möglichst lange um die Play-off-Plätze mitspielen und das alles auf einer Basis von etwa 1200 bis 1300 Zuschauern im Schnitt - ein machbares, ein plausibles Vorhaben... so glaubt man jedenfalls.

Im Vorfeld der Saison wurden Fakten und Finanzen in einer bisher nicht gekannten Offenheit präsentiert und alles schien stimmig, schlüssig und realistisch. Der einzige Wermutstropfen war die Nörgelei der Fachpresse, denn in der Eishockey News wurden die neuverpflichteten Kontingentspieler weitestgehend niedergemacht. Jonathan Villeneuve und Mat Ponto kamen aus Ligen, denen man maximal Bayernliga-Niveau zugestand und auch einem Brett Hammond traute man außerhalb der Kurstadt keine tragende Rolle zu. Selbst bei Jeff Golby, den man hier ja bereits seit der letzten Aufstiegsrunde kannte, wurde immer wieder die Oberligatauglichkeit in Frage gestellt. Besserwisser? Neider? Oder waren Alleingesellschafter und Beiräte wirklich nur die „bloody Greenhorns“, die sich locker über den Tisch ziehen ließen?

Nun, sicherlich waren nicht sämtliche Neuverpflichtungen die erträumten Wunschspieler - man hatte sich auch intensiv um andere, in Deutschland schon bekanntere Kräfte, bemüht. Da waren zum Beispiel die beiden Ex-Weidener, der Finne Turo Virta und sein Vereinskollege Roman Göldner; beide standen auf der Einkaufsliste des EC Bad Nauheim, doch heuerten sie lieber bei Vereinen an, wo die Früchte süßer zu schmecken versprachen. Auch Ex-Nauheimer, wie Alex Schuster und sogar Altstar Doug Murray, waren im Gespräch, aber letztlich scheiterten all diese Verhandlungen aus unterschiedlichsten Gründen.

Die Spieler, die sich für die Rot-Weißen entschieden, kamen jedoch auf ausdrückliche Empfehlung von Ex-Teufeln, unter ihnen so anerkannte Größen wie Gates Malo. Fans und Geschäftsführung vertrauten deren Urteil und natürlich auch dem von Trainer Michael Eckert, der bei der Zusammenstellung des Kaders schlussendlich das letzte Wort hatte. Neben den vier Kontingentspielern – ja, eine Stelle blieb zunächst unbesetzt, wir kommen gleich auf dieses Thema zurück – wurden Topspieler der Regionalliga verpflichtet: Karl Jasik, Mathias Baldys, Alexander Baum... Sie waren im Vorjahr allesamt Leistungsträger beim Süd-West Meister Herne gewesen, dem der sportlich errungene Aufstieg aus finanziellen Gründen verwehrt wurde. In Bad Nauheim sollten jene Spieler nun doch noch den verdienten Lohn ihrer letztjährigen guten Arbeit ernten dürfen. Auch Anton Bauer, der sich mit Jeff Golby in Trier als „Torfabrik“ ausgezeichnet hatte, wechselte an die Usa.

Nach den miserablen Erfahrungen der letzten Oberliga-Saison von 2005/06 wurde aus dem eigenen Lager nur noch eine Handvoll Regionalliga-Cracks mit ins Abenteuer Drittklassigkeit genommen. Die, die sich auch weiterhin in der ersten Mannschaft der Roten Teufel wiederfanden, galten als jung, hungrig und ehrgeizig. Die Torwartposition verstärkte Torsten Schmitt, der in der zweiten Liga bei Landsberg nur selten Eiszeit bekommen hatte. Zwei Förderlizenzspieler aus Krefeld, André Mangold und Sinan Akdag, sowie ein „Heimkehrer“, Oliver Bernhardt, komplettierten das Team. Bernhardt kam zwar aus der Bad Nauheimer Jugend, hatte aber in seiner Profikarriere nie die Farben der Badestadt getragen. Mit DEL und Zweitliga-Erfahrung ausgestattet, sollte er jedoch nicht nur Chef der Abwehr, sondern der gesamten Mannschaft werden. Er bekam die Kapitänswürde angetragen.

Tja, nun aber noch einmal zurück zum Thema Kontingent­spieler. Nicht ohne Grund hatte man sich auf nur vier ausländische Neuverpflichtungen beschränkt. Zum einen gab es im deutschen Eishockey wieder einmal eine etwas merkwürdige Ausländerregelung und zum anderen hatte man noch ein heimliches Ass im Ärmel. Aber der Reihe nach.

Durfte vor einigen Jahren noch jeder, der in seiner Ahnengalerie einen deutschstämmigen Vorfahren aufweisen konnte, problemlos die hiesigen Profiligen als Eishockey-Deutsche bereichern, so sah man dies nun wesentlich ver­bissener. Dennis Cardona ging bekanntlich aus dem Nauheimer Nachwuchs hervor und war viele Spielzeiten als Deutscher spielberechtigt; eigentlich also ein Nauheimer Urgestein „par excellence“. Nun aber stellte man fest, dass Dennis gar keinen deutschen, sondern nur einen amerikanischen Pass besaß. Klarer Fall für die ESBG: Cardona ist Ausländer und spielt entweder als Kontingentspieler, besorgt sich kurzfristig eine deutsche Legitimation oder – tritt erst gar nicht an; Basta!

Hm... in Riessersee gab es einen ähnlich gelagerten Fall und der wurde bereits vor Gericht verhandelt. Also wartete man erst einmal ab und notfalls konnte Cardona ja zu Saisonbeginn als „Ausländer“ auflaufen, wenn... ja wenn das Ass im Ärmel der GmbH nicht stach. Bereits im Sommer waren Gerüchte auf­gekommen, dass Jason Deleurme wieder ins CKS zurückkehren könnte. Schwenningen hatte dem Ausnahme­stürmer keinen Vertrag mehr gegeben und lediglich 5000 Euro sollten darüber entscheiden, ob Jason wieder bei uns oder woanders seine unvergleichlichen Jubelarien aufführen sollte.

5000 Euro – lächerlich – oder? Thomas Schmitt, ein Fan und Sponsor, initiierte spontan eine Sammelaktion. „1000 x 5“ so das Motto. Seine Idee: Wenn 1000 Fans jeweils 5 Euro springen lassen, ist das Thema gegessen. Die 5000 Euro waren tatsächlich in wenigen Wochen zusammen, aber Jason Deleurme unterschrieb leider dennoch nicht. Irgendwie schien Jason doch noch mit der zweiten Liga zu liebäugeln – wer (außer den Nauheimer Hardcore-Fans!) wollte es ihm verübeln.

So verstrich die Zeit ohne Ergebnis und das Thema Deleurme wurde ad acta gelegt. Die Vorbereitungsspiele starteten recht spät, denn wieder einmal wurde in Bad Nauheim das Eis erst Ende August bereitet. Am 31. konnte man erstmals in einem Spiel das neue Teufelsteam begutachten. Mit 6:1 gewannen die Badestädter gegen den Regionalligisten Dortmund, kein echter Prüfstein. Nur fünf Spiele hatten die Cracks Zeit sich für die Punktrunde einzuspielen, setzten dabei auch keinerlei Highlights. Die Regionalligisten Dortmund und Braunlage schlug man, zum Teil recht deutlich (11:1 gegen Braunlage), dem Oberligakonkurrenten Weiden war man hoffnungslos unterlegen. So kam der Jubelschrei „Jason is back“ genau zum richtigen Zeitpunkt, um die Euphorie im Lager der Fans zum Rundenauftakt wieder neu zu entfachen. In letzter Sekunde war Deleurme doch noch auf den Oberligaexpress des ECN aufgesprungen.

 
 

Jason Deleurme, quasi der „Alleinunterhalter“ in den ersten Wochen

Gegen den EC Peiting gab es am 14. September im CKS den heftig herbeigesehnten Punktspielstartschuss... leider ging er gnadenlos nach hinten ab. Jeder konnte sehen, dass die Roten Teufel noch nicht reif für die beginnende Runde waren. Mit 3:6 verlor man - zwar nicht deftig, aber klar. Gute Ansätze zeigten sich hier und da; vor allem leidenschaftlicher Einsatz und ein Alleinunterhalter Jason Deleurme, der im Angriff wirbelte. Dennoch gingen viele an diesem Abend etwas nachdenklich nach hause.

Und es waren berechtigte Zweifel, die den Zuschauern an diesem Tag gekommen waren. Die nachfolgenden Wochen brachten vor allem eines: Frust! Denn egal wie leidenschaftlich die Teufel sich auch ins Zeug legten, egal wie nahe man an einem Erfolgserlebnis auch dran war, fast immer stand unter dem Strich eine Niederlage. Nur in Berlin hatte man kurz vor Ende der Partie das 3:2 erzielt und konnte somit die ersten  drei Oberliga-Punkte mit nach Hause nehmen. Aber das war zu wenig um sich auch nur annähernd im angestrebten Mittelfeld zu etablieren.

 
 

Nauheim driftete gleich zu Beginn der Saison beständig tiefer in den Tabellenkeller, egal ob man nun auf die offizielle Nord-Tabelle oder die inoffizielle Gesamttabelle schaute. Auf den erhofften Plätzen dicht hinter den Play-off-Kandidaten standen zum Ärger der Nauheimer Fans die „Newcomer“ aus dem Osten: Diese hatte man eigentlich hinter sich lassen wollen. Doch Rostock, Leipzig und selbst Halle machten es vor, wie man den „gestandenen Teams“ ein Bein stellte. Nauheim hingegen machte den Gegner (und sich selbst) nur mürbe, ohne den „tödlichen Schlag“ zu vollenden. Auch das kleine Erfolgserlebnis gegen Tabellenschlusslicht Miesbach verpuffe rasch und es gingen selbst Spiele in die Hose, die man nach einer komfortablen Führung bereits in der Tasche zu haben glaubte. 60 Minuten konzentriertes Eishockey waren zu dieser Zeit in Bad Nauheim nicht möglich.

Dabei konnte man der Mannschaft nicht einmal einen echten Vorwurf machen. Sie kämpften, sie rannten (zugege­benermaßen oft kopf- und konzeptlos), sie mühten sich ... und verloren dennoch. Allen voran ein Jason Deleurme begann mit dieser Situation zu hadern. Er war immer der herausragende Akteur auf dem Eis, rackerte und fightete bis zum Umfallen ... aber für das Team kam letztendlich nichts Zählbares dabei heraus.

Hatte die Fachwelt also doch Recht? War diese Mannschaft einfach zu schwach besetzt für diese starke Oberliga? Im Bereich Zuschauerinteresse brachen erschreckende Parallelen zur Desastersaison 2005/2006 auf. Die anvisierten 1200 Besucher kamen schon lange nicht mehr. Mit 900 waren wir oft gut bedient. Drohte hier wieder ein Finanzengpass? Nein! Die Geschäftsführung winkte wenigstens zu diesem Thema ab. „Wir haben Reserven“, meinte Wolfgang Kurz auf die Fragen der Presse und verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Zusatzeinnahmen aus dem Buchverkauf Höllenspaß und Höllenqual. „Dieses Geld wollten wir ursprünglich nicht anpacken, jetzt können wir es nutzen um Engpässe zu überbrücken.“ (Anmerkung des Autors: Das freut uns natürlich, denn genau für solche Hilfestellungen waren die nun schon über 20.000 Euro Reingewinn auch gedacht!)

Im sportlichen Umfeld aber spitzte sich die Lage immer weiter zu. Die Spieler, die man als Leistungsträger gesehen hatte, zeigten partout nicht die erhofften Qualitäten. Dennis Cardona, inzwischen mit deutschem Pass ausgestattet, war mit Deleurme ein Vorbild an Kampfgeist. Doch andere versagten - manchmal sogar jämmerlich. Michael Eckert, Trainer und sportlicher Verantwortlicher, wurde auf den Pressekonferenzen immer wortkarger. Mit zunehmender Erfolglosigkeit, stellte sich bei ihm Ratlosigkeit ein. Schon seit einiger Zeit forderten die Zuschauer seinen Kopf. Ganz offen wurde im Forum und der Presse davon gesprochen, dass die Wurzel allen Übels in der „amateurhaften“ Führung des Clubs auszumachen sei. Es gab keinen hauptamtlichen „Kümmerer“. Kurz und Berger standen bei ihren Arbeitgebern in der Pflicht und Schüssler und Eckert leiteten „nebenbei“ noch jeweils ein Unternehmen. Die Zeit für Eishockey schnitten sich alle einfach aus den Rippen… Nicht wirklich ein Vorwurf an die Leitung, doch zumindest sehr Nerven zehrend für die Betroffenen.

Jonathan Villeneuve, einer der inzwischen auch bei den Nauheimer Fans vielgeschmähten Kontingentspieler, bekam zu diesem Zeitpunkt wegen mangelnder Leistung den Laufpass. Zuvor hatte bereits Anton Bauer selbst seine Zelte im CKS abgebrochen und in Rostock angeheuert. Auch Mat Ponto trauten viele nicht zu, dass er sich noch lange halten würde. Bei diesem Schwund an „Spielermaterial“ (sorry für diesen unschönen Ausdruck!) stand man natürlich unter Zugzwang. Neue Kräfte wollte man holen, auch um den Trainer zu stützen. Die Geschäftsführung mühte sich redlich, doch man hatte kein glückliches Händchen. Niemand mit spielerischen Qualitäten wollte zu den Teufeln wechseln. Es gab eine Absage nach der anderen. So atmete man erleichtert auf, als Anfang November mit Ty Morris endlich ein vielversprechender Stürmer von den Victoria Salmon Kings/ECHL in den Kurpark wechselte. Noch im letzten Jahr hatte er beim EC Peiting seine Brötchen ver­dient. Morris fügte sich auch blendend ein, denn in Kaufbeuren gelangen ihm zum Einstand sofort zwei blitzsaubere Tore und die Mannschaft holte nicht zuletzt dank seiner Mithilfe einen unerwarteten Auswärtspunkt beim 4:5 nach Verlängerung.

Doch auch mit ihm wendete sich das Schicksal der Roten Teufel nicht wie erhofft. Die Niederlagenserie setzte sich fort und Bad Nauheim verlor beide Partien gegen die Mitaufsteiger Halle und Leipzig. Gerade das Spiel gegen die Messestädter war niederschmetternd, denn auch der sonst zur Schau gestellte Kampfgeist war diesmal nicht auszumachen. So kamen am folgenden Wochenende zum Gastspiel des souveränen Tabellenführer EC Bad Tölz keine 800 Zuschauer mehr ins CKS.

An jenem 25. November zeigte sich wieder einmal wie verrückt Eishockey sein kann. Die Teufel besiegten völlig unerwartet den haushohen Favorit Bad Tölz. Nach einem fast hoffnungslosen 0:2-Rückstand gelang in einem kampfstarken Endspurt der Siegtreffer zum 3:2; allerdings erst in der Verlängerung. Dennoch lagen sich die wenigen Fans nach dem Spiel freudetrunken in den Armen. Was in dieser Situation keiner ahnte, passierte auf der anschließenden Pressekonferenz: „Ecki“ verkündete seinen sofortigen Rücktritt. „Ich höre auf, mein Entschluss stand schon vor dem Spiel fest. Ich wünsche dem Team weiterhin Erfolg.“ Er sagte es und verschwand aus dem Raum...

Hatte die Geschäftsführung damit schon gerechnet? Nun, es schien fast so, denn nur vier Tage später wurde Fred Carroll als Nachfolger von Eckert aus dem Hut gezaubert. Der Kanadier, der vor etwa 20 Jahren schon als Spieler in Bad Nauheim unter Vertrag stand, ließ ab sofort nicht mehr locker und forderte vehement nach spielstarken Neuzugängen. Ein guter Verteidiger und ein Goalgetter, ein Knipser, standen auf seiner Wunschliste um die vorhandene Substanz aufzubessern. Und wie zur Unterstreichung seiner Forderungen zeigte auch die Mannschaft in den ersten Spielen wieder ihre beiden Gesichter. Man holte einen Punkt in Deggendorf und einen in Miesbach, verlor aber zuhause gegen Kaufbeuren und Passau, jeweils nach einer Führung.

 
 

Carrolls Wunsch nach Verstärkung schien jedoch zu fruchten. Schon zwei Wochen später zappelte mit Andy Geisenberger ein leistungsstarker Abwehrspieler an der GmbH-Angel. Aber bevor Kurz & Co den „dicken Fisch“ richtig an Land ziehen konnten, flutschte er ihnen auch schon wieder aus den Fängen. Geisenberger brach sein mündlich gegebenes Versprechen und wechselte nach Landsberg in die 2. Liga. Nach Roman Göldner, dessen Verpflichtung im Sommer auch schon als beschlossene Sache vermeldet worden und der dennoch kurz­fristig abgesprungen war, der zweite Wortbruch eines Spielers gegenüber der Geschäftsführung in dieser Saison.

Zu allem Überfluss hatte sich Jason Deleurme inzwischen in ein fettes Formtief manövriert. Er kämpfte zwar noch immer leidenschaftlich – er kann wohl gar nicht anders – aber „die Seuche“ klebte an seinem Schläger. Er traf einfach den Kasten nicht mehr. Schlechten Nachrichten folgten aber auch gute: Von Kassel kam eine weitere Verstärkung. Tobias Schwab wechselte in die Wetterau und brachte unbestreitbar weiteren Schwung ins Angriffsspiel. Ty Morris entwickelte sich inzwischen prächtig. Er machte Tore – fast am Fließband - und wurde zu einem stabilisierenden Faktor im Sturm. Als dem EC am Weihnachtswochenende das erste 6-Punkte Wochenende gelangt, schien der Knoten endlich, endlich, endlich geplatzt! In Rosenheim und zuhause gegen die Eislöwen aus Dresden gelangen nicht nur glückliche, sondern sogar überzeugende Siege. Jason Deleurme und Ty Morris hatten zusammen die gegnerischen Reihen richtig aufgemischt und die EC-Fans berauschten sich an dem Gedanken, das Tal der Tränen endlich hinter sich gelassen zu haben.

Er brachte die Hoffnung zurück  ins CKS: Fred Carroll, ehemaliger EC-Spieler und neuer Trainer der Roten Teufel

 
 

Wie ernüchternd jedoch als man nach dem Dresdenspiel ins Internetforum schaut: Zwar noch unbestätigt von offizieller Seite, aber dennoch sehr alarmierend stand dort zu lesen: Ty Morris wechselt zum EV Landsberg in die 2. Liga; Jason Deleurme soll dem Aufstiegskandidaten Dresden bereits sein Ja-Wort gegeben haben...

Wie bitte??? Unglaublich – gerade die zwei Spieler, um die man das Team 2008/2009 hätte aufbauen können, waren auf dem Sprung??? Nach den Feiertagen wurde es zur Gewissheit: Sowohl Morris also auch Deleurme verließen den Club. Jasons Worte, zu denen er sich noch im Sommer angesichts der Sammelaktion hatte hinreißen lassen: „Wenn ich überhaupt in der Oberliga spiele, dann NUR für Bad Nauheim!“ klangen noch vielen in den Ohren. Doch was kümmerte schon das Geschwätz von gestern...

Da fällt einem doch glatt der Filmsong eines der größten deutschen Nachkriegskomiker ein: Heinz Erhard sang in einer ähnlich „verzweifelten“ Lage:

Wenn ich einmal traurig bin dann trink ich einen Korn.
Wenn ich dann noch traurig bin, trink ich noch nen Korn.
Und wenn ich DANN noch traurig bin, trink ich NOCH nen Korn...
und wenn ich DANN noch traurig bin, fang ich an von vorn!


Aber betrinken hilft in solchen Situation herzlich wenig. Rück­schläge muss man wohl in diesem knallharten Geschäft weg­stecken können. Augen zu und durch! Fred Carroll zeigte hier Professionalität. Er lamentierte nicht, sondern handelte. Alle seine Kontakte spielen lassend präsentierte er mit dem Kanadier Kevin Lavallee und dem Schweden Jonas Carlenius nur wenig später schon Ersatz für die beiden „Abtrünnigen“. Die Neuen kamen aus der ersten Holländischen Division; beide vom gleichen Club aus Groningen. Und vor allem Lavallee ließ die Abgänger Morris und Deleurme rasch vergessen. „La-La-La-va-llee“ klang es ab sofort durch das CKS, denn die Scorerquote zum Auftakt seines Engagements in Nauheim war einfach sagenhaft. In den ersten fünf Spielen sechs Tore und fünf Assists. Nicht wenige fragten sich, wie ein solcher Spieler bloß in einer niederländischen Liga versauern konnte.

 
 

Er kam, sah und siegte… und
ging gleich wieder: Ty Morris

Er kam, sah und siegte… und
blieb: Kevin Lavallee

Über all dies war inzwischen jedoch soviel Zeit vergangen, dass die restlichen Punktspiele für die Roten Teufel mehr oder weniger Makulatur waren. Der Abstand zu Platz fünf der Nordgruppe, gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Klassenerhalt, war bereits uneinholbar. Es stand fest, dass Bad Nauheim sich nur noch über die Play-downs in der Klasse halten konnte. An dieser Stelle macht es wohl Sinn kurz über den diesjährigen Modus zu schreiben, denn was sich die ESBG ausgedacht hatte, war wieder einmal eine Meisterleistung an Gehirnakrobatik.

Die Oberliga trat zwar eingleisig an, doch wurden offiziell nur zwei separate Tabellen geführt. Eine für die zehn Süd-Repräsentanten und eine für die neun Nord/Nordost-Vertreter.

 
 

Nach einer Runde „Jeder-gegen-Jeden“ mit Hin- und Rückspiel, traten gruppenintern die Clubs aus dem gleichen Lager noch einmal in Hin- und Rückspiele gegeneinander an. Alle Punkte flossen in die von Anfang an geführten Gruppentabellen. Die jeweils besten vier aus jeder Gruppe durften im „Best of Seven-Verfahren“ den Oberliga-Meister über Play-offs ausspielen. Aufstiegsberechtigt für Liga Zwei waren die beiden Finalteil­nehmer. Die letzten vier jeder Gruppe traten in Play-downs, ebenfalls mit maximal sieben Spielen je Runde, an. Doch im Gegensatz zu den Play-offs, die gruppen­über­greifend - also Nord gegen Süd - stattfanden, blieben die Regionalgruppen in der Abstiegsfrage unter sich. Der Verlierer der Play-downs aus jeder Gruppe musste den Gang in seine jeweilige Regionalliga antreten.

Kompliziert? Naja, im Eishockey ist man ja komplexe Entscheidungen gewohnt. Doch diesmal konnte es wirklich passieren, dass ein Klub absteigen musste, der über die gesamte Saison eigentlich viel besser abgeschnitten hatte als ein Verein aus der anderen Gruppe, der wiederum den Klassenerhalt schaffte... Aber lassen wir das! Eishockey wäre nicht Eishockey, wenn alles einfach und logisch wäre...

Nun, wie gesagt: für Bad Nauheim galt es frühzeitig die restlichen Vorrundenspiele zum „Üben des Ernstfalles“ zu nutzen. Die Ergebnisse waren, neben dem Kampf um jeden zahlenden Zuschauer, insofern nur noch wichtig, dass es galt möglichst den siebten oder gar sechsten Platz zu belegen, denn diese bedeuten Play-down-Heimvorteil und somit mehr Geld in der Kasse.

Zu Jahresbeginn sah es jedoch schlecht mit diesem Anliegen aus. Man verlor das Heimspiel gegen Klostersee; ebenso in Weiden und sogar beim direkten Abstiegskonkurrenten Erfurt. Doch mit dem Februar wendete sich das Geschick der Roten Teufel. Plötzlich gelang, was monatelang daneben gegangen war. 9:2 zuhause gegen Erfurt, ein 3:2 Sieg gegen die Überraschungsmannschaft aus Leipzig, 3:4-Auswärtssieg in Halle und selbst Altmeister EV Füssen bekam die neue Stärke der Roten Teufel zu spüren. Mit sage und schreibe 7:2 überrannten die Kurstädter die Leoparden. Nicht Platz fünf aber doch Platz sechs war urplötzlich wieder in greifbarer Nähe. Wie erfolgreich die Roten Teufel in dieser Periode agierten, rechnete Manuel Dietrich vor: In der Februartabelle belegte der EC Bad Nauheim Platz sechs aller 19 Oberliga-Clubs.

Aber die Zuschauerzahlen… Gegen Füssen hatte es erneut eine Minuskulisse mit nur 770 Zuschauern gegeben. Ent­schieden zu wenig für einen zukunftssicheren Eishockeystandort Bad Nauheim, zumal wenn man sich mittelfristig wieder nach oben orientieren will. Wolfgang Kurz griff zu einem anderen Mittel um die Kasse etwas aufzubessern: Er ersteigerte ein Wohltätigkeitsspiel beim Pay-TV-Sender Premiere. Altstars des deutschen Eishockeys rund um Galionsfigur Erich Kühnhackl traten für knappe 6000 Euro Spende zugunsten eines guten Zwecks im CKS an. Den Erlös aus dem Spiel durften die Roten Teufel einstreichen. Rund 1800 Zuschauer, und damit ca. 500 mehr als der Rekord­besuch bei einem Punktspiel, besserten so die knappe Finanz­decke bei einem zwar sportlich unbedeutenden, vom Nostalgie­faktor aber durchaus gelungenen Eishockeyspaß etwas auf.

 
 
 
 

Szenen aus dem Spiel gegen die Black Dragons vom EHC Erfurt in Ilmenau/Thüringen; fotografiert  von EC-Fan Bertram Bayer aus Gotha.

 
 

Der Kampf um Platz sechs der Nordgruppe ging hingegen verloren – aber nur hauchdünn. Als Bad Nauheim noch drei Punkte am grünen Tisch aus der verlorenen gegangenen Auswärts­partie in Rostock zuerkannt bekam, trennte die Teufel gerade mal ein müdes Pünktchen von den Saale Bulls. Sei’s drum, verpasst ist verpasst! Aber die Handschrift von Trainer Fred Carroll war in den letzten Spielen eindeutig zu lesen. Er hatte das Team nun soweit, dass man gegen jeden Gegner eine reelle Chance hatte. Schade, dass sich die Saison just da dem Ende neigte, wo es wieder Spaß machte zum Eishockey zu gehen.

Carrolls Engagement hinter der Bande war unübersehbar. Er stauchte seine Spieler zusammen, wenn sie in Lethargie zu Fallen drohten; er ließ jeden auf der Bank schmoren, der nicht mitzog und motivierte sie, wenn wieder einmal eine unglück­liche Schirileistung den Nerv zu rauben drohte. Auch verbal nahm Carroll in den Presskonferenzen kein Blatt vor den Mund. Klartext war seine Devise – egal gegen wen, selbst die Fans bekamen ihr Fett weg. Auf der Pressekonferenz nach dem ersten Play-down Spiel gegen die „Eisbären Juniors“ pöbelten einige Fans stimmgewaltig gegen den Berliner Trainer. Als sie dann Carroll bei seinem Statement aufforderten lauter zu reden, damit man ihn besser verstehen könne, meinte er trocken: „Vielleicht sollten SIE einfach mal leiser sein!“

Eine Haltung, die imponierte; wohl auch der Geschäftsleitung, denn Fred Carroll hatte kurz zuvor als erster einen Anschlussvertrag für die kommende Saison erhalten. Und zwar gleich für zwei Jahre plus einer Option für eine weitere Verlängerung im Erfolgsfall, sprich Play-off Teilnahme in der Saison 2009/2010. Ein richtungsweisender Schritt, denn er stärkt die Hoffnung, dass endlich wieder Kontinuität, Professionalismus und somit der heiß ersehnte Aufschwung in Bad Nauheims Eishockey Szene Einzug halten kann.

Die Play-downs gegen die Eisbären zogen sich zäher dahin als man auf Grund der guten Leistungen gegen Ende der Vorrunde erwartet hatte. Nach einer komfortablen 3:1 Spiele­führung vergab man völlig unnötig das entscheidende Match im CKS vor respektablen 1500 Besuchern. Die tolle Atmos­phäre zu Beginn brachte leider nicht den erhofften Motivations­schub und so bedurfte es noch eines weiteren Matches in Berlin eher der Klassenerhalt endgültig sichergestellt war.

Nun gilt es die Mannschaft auf den entscheidenden Positionen für das kommende Jahr zu verstärken. Wenn dies gelingt, sollte man die abgelaufene Saison endgültig als den angestrebten Aufbruch in eine bessere sportliche Zukunft anerkennen. Es war sicherlich ein erstes Lehrjahr für die neuen „Macher“ dieses Clubs und niemand sollte sich anmaßen zu behaupten, er hätte es besser gemacht. Lief auch vieles nicht nach den ursprünglichen Hoffnungen und Planungen, so sollte der Aufschwung der letzten Wochen dennoch Mut geben und Ansporn sein, im Sommer erneut kräftig in die Hände zu spucken.

Bleibt noch ein Nachsatz zum Thema Zuschauerzahlen, verbunden mit einem Appell an alle Freunde des Bad Nauheimer Eishockeys: Das, was in Punkto Publikums­interesse in dieser Saison gelaufen ist, darf sich nicht noch einmal wiederholen. Ein Punktspiel unter 1000 zahlenden Zuschauer ist eigentlich per se schon indisku­tabel. In dieser Saison lag aber sogar der Schnitt (!!!) unter 1000 Besuchern. Laut Angaben der WZ lösten in der Vorrunde lediglich 960 Personen pro Spiel ein Ticket; was den absoluten Tiefpunkt seit Bestehen des Nauheimer Eishockeys darstellt. Noch nie seit 1946/1947 hatte eine Nauheimer Mannschaft einen dreistelligen Schnitt. Selbst in der Chaossaison 2005/2006 lag das Zuschauer­interesse noch bei 1015 Personen pro Begegnung. Gab es vor zwei Jahren sogar zwei Spiele mit knapp 2000 Zuschauern, so lag der „Saisonrekord“ heuer bei beschämenden 1300 Besuchern. Das ist fraglos unserer Farben unwürdig! Noch dazu, wo die Roten Teufel sehr häufig ansprechende Leistungen gezeigt haben.

Liebe „Nur-Sympathisanten“: Bad Nauheim braucht seine Fans, und zwar nicht nur als wohlwollende Zeitungsleser oder Forumsbesucher, sondern insbesondere als zahlende Zu­schauer im Stadion. Ohne entsprechendes Zuschauer­interesse vor Ort verliert jeder Proficlub sehr schnell seine Daseins­berechtigung. WIR, die Fans des EC Bad Nauheim, können viel dafür tun, dass es weiter aufwärts geht mit unseren Roten Teufeln. Aber es MUSS uns gemeinsam mit der EC Rote Teufel Bad Nauheim GmbH gelingen auch die „passiven“ Fans wieder ins Stadion zu holen.

In diesem Sinne: auf ein „gutes Gelingen“ in 2008/2009!

 
 

30. März 2008

 
 
 
 
 
 

© Copyright by TecK

 
 
 
 
 
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü